Rz. 13

Der Anwendungsbereich liegt hauptsächlich auf dem Gebiet solcher gegenseitiger Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung ihrer Natur nach zeitbezogen sind, zeitlich jedoch auseinanderfallen. Das Ziel der Rechnungsabgrenzungsposten ist es in diesen Fällen, die Vorleistung des einen Vertragspartners in das Jahr zu transferieren, in dem die nach dem Vertrag geschuldete Gegenleistung des anderen Vertragspartners erbracht wird.[1] So sind z. B. gebuchte Einnahmen aus einem gegenseitigen Vertrag, den der Empfänger noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt hat, als Ertrag des Wirtschaftsjahres zu behandeln, in dem der Empfänger seine Gegenleistung bewirkt.[2] Somit gewährleisten Rechnungsabgrenzungsposten durch die sachgerechte Periodenabgrenzung von Aufwendungen und Erträgen eine periodengerechte Erfolgsermittlung.[3]

 

Rz. 14

Rechnungsabgrenzungsposten sind Bilanzpositionen, die eine periodengerechte Erfolgsermittlung durch Verteilung von sich auf mehrere Perioden beziehende Ausgaben und Einnahmen ermöglichen.[4] Dabei wird zwischen transitorischen und antizipativen Abgrenzungsposten differenziert. Transitorische Rechnungsabgrenzungsposten werden dadurch gekennzeichnet, dass der Finanzvorgang, d. h. die Ausgaben bzw. die Einnahmen, vor dem Abschlussstichtag stattgefunden hat, ihr wirtschaftlicher (Gegen-)Leistungsbezug sich aber auf die nach dem Bilanzstichtag liegende Zeit bezieht. Mit anderen Worten steht bei gegenseitigen Geschäften einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenüber.[5] Die Erfolgswirkung eines realisierten Finanzvorgangs wird durch die Einstellung eines transitorischen Postens neutralisiert, indem Ausgaben bzw. Einnahmen in künftige Perioden hinübergeleitet (lat. transire) werden. Hierbei handelt es sich somit um sog. transitorische Vorgänge, weil die in der Periode geleistete Zahlung wirtschaftlich oder rechtlich in zeitlich abgrenzbarer Weise in die nächste Periode hinüberreicht. Der Leistungsvorgang und damit die Verursachung von Aufwand oder Ertrag liegen in der nachfolgenden Periode begründet.[6] Demgegenüber liegen antizipative Rechnungsabgrenzungsposten vor, wenn die Aufwendungen oder Erträge der Abgrenzungsperiode erst nach dem Bilanzstichtag zu Ausgaben bzw. Einnahmen führen.[7] So liegt zwar der Zahlungsvorgang im neuen Geschäftsjahr, die wirtschaftliche Verursachung und damit die Ergebniswirksamkeit ist jedoch dem alten Geschäftsjahr zuzurechnen.[8]

 

Rz. 15

Seit dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 werden in der Handelsbilanz lediglich die transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten erfasst.[9] Aufgrund des § 5 Abs. 5 EStG ergibt sich eine grundsätzlich analoge Vorgehensweise für die Steuerbilanz.[10] Dennoch gestattet § 5 Abs. 5 Satz 3 EStG den Ansatz von antizipativen Posten für bestimmte Fälle.[11]

 

Rz. 16

In der Rechtsprechung und Literatur wird die Funktion der Rechnungsabgrenzungsposten z. T. im Hinblick auf die bereits geleisteten bzw. erhaltenen Zahlungen aus dem Realisationsprinzip abgeleitet, weil der Gewinnausweis erst zugelassen ist, wenn er auch erzielt wurde.[12]

 

Rz. 17

Die Notwendigkeit der Rechnungsabgrenzung für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist nicht Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen, sondern einer rechtlichen Leistungsbezogenheit. Vorausgesetzt wird ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem vereinnahmten Entgelt und der nach dem Vertrag geschuldeten Leistung. Der lediglich betriebswirtschaftliche kalkulatorische[13] Zusammenhang zwischen dem vereinnahmten Entgelt und den Kosten, die durch die Erbringung der Leistung verursacht sind, genügt nicht.[14]

[3] Vgl. u. a. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2024, S. 543.
[4] Vgl. hierzu und im Folgenden Federmann/Müller, Bilanzierung nach Handelsrecht, Steuerrecht und IAS/IFRS, 2018, S. 346.
[6] Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Abschn. D Rz. 716.
[7] Vgl. statt vieler Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012, S. 86.
[8] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2024, S. 543 f.
[9] Vgl. § 250 HGB.
[12] Vgl. BFH, Urteil v. 9.12.1993, IV R 130/91, BStBl 1995 II S. 202; Crezelius, DB 1998, S. 633; Nieland, SteuerStud 1995, S. 533 f.
[14] Vgl. BFH, Urteil v. 17.7.1974, I R 195/72, BStBl 1974 II S. 684; zur betriebswirtschaftlichen Aufgabe des Rechnungsabgrenzungspostens s. Arbeitskreis "Steuern und Revision" im Bund der Wirtschaftsakademiker (BWA) e. V., DStR 1999, S. 2135.

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