Rz. 37

Das richtige Verständnis der Rechnungsabgrenzung erfordert eine eindeutige Unterscheidung zwischen Ausgabe und Aufwand auf der einen sowie Einnahmen und Ertrag auf der anderen Seite. So führen – wie oben beschrieben – Zahlungsvorgänge zu einer betrieblich veranlassten Minderung bzw. Mehrung des Geldvermögens (Rz 34). Voraussetzung für das Vorliegen von Aufwendungen bzw. Erträgen ist demgegenüber eine Verminderung bzw. Erhöhung des Netto- oder Reinvermögens.[1] Aufwendungen bezeichnen dabei gemeinhin den Wert aller verbrauchten Leistungen der Periode; spiegelbildlich gilt als Ertrag der Wert aller erbrachten Leistungen der Periode.[2]

 

Rz. 38

Aufwand und Ertrag sind somit Erfolgsposten im Jahr ihrer wirtschaftlichen und sachlichen Zugehörigkeit. Gleichzeitig können Ausgaben und Einnahmen vorliegen, wenn sie im selben Jahr aus dem Betriebsvermögen abgeflossen bzw. dem Betrieb zugeflossen sind. Die folgende tabellarische Übersicht soll diese Unterscheidung verdeutlichen.[3]

 
Vorgang Sachverhalt im alten Jahr im neuen Jahr Bilanzposten

Zinsen,

Löhne,

Gehälter,

Mieten,

Pachten,

Gebühren,

Versicherungsbeiträge,
im Voraus erhalten Einnahme Ertrag Passive Rechnungsabgrenzungsposten (Passivposten)

Entschädigungen,

Abfindungen,

Provisionen
im Voraus bezahlt Ausgabe Aufwand Aktive Rechnungsabgrenzungsposten (Aktivposten)
 

Rz. 39

Anders als bei dem Tatbestandsmerkmal des Vorliegens eines Zahlungsvorgangs ist mit der Formulierung "nach dem Bilanzstichtag" eindeutig der erste Tag des neuen Geschäftsjahres gemeint.[4]

 

Rz. 40

Ob Ausgaben (Einnahmen) als Aufwand (Ertrag) für das abgelaufene Geschäftsjahr oder für eine Zeit nach dem Abschlussstichtag zu qualifizieren sind, ist grundsätzlich danach zu entscheiden, ob der wirtschaftliche Grund für die Ausgaben (Einnahmen) in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt. Dabei ist insbesondere entscheidend, ob und inwieweit diese Ausgaben (Einnahmen) durch bestimmte im abgelaufenen Wirtschaftsjahr empfangene Gegenleistungen oder erst durch künftig zu erwartende Gegenleistungen wirtschaftlich verursacht sind.[5] Maßgeblich für die Zuordnung ist insofern der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung.[6]

 

Rz. 41

Eine Rechnungsabgrenzung ist auch dann vorzunehmen, wenn der Aufwand sich nicht nur auf das die Zahlung folgende Geschäftsjahr allein, sondern auf mehrere (nachfolgende) Geschäftsjahre bezieht. In solchen Fällen ist eine Aufteilung der Zahlung ggf. im Wege einer Schätzung vorzunehmen.[7] Eine entsprechende Aufteilung ist ebenfalls für eine Ausgabe bzw. Einnahme vorzunehmen, die Aufwand bzw. Ertrag für das betrachtete als auch das nachfolgende Geschäftsjahr darstellt.[8] Die Zeit, in der sich der Aufwand bzw. Ertrag auswirkt, muss nicht bereits begonnen haben, sodass der Beginn des Zeitraums noch weiter hinausgeschoben sein kann. Dies wäre bspw. bei einer Mietvorauszahlung im Jahr 01 für die Jahre 05 bis 10 der Fall.[9]

 

Rz. 42

Zwischen dem Zahlungsvorgang, d. h. der Ausgabe bzw. der Einnahme, und dem Aufwand bzw. Ertrag muss weiterhin ein unmittelbarer inhaltlicher Zusammenhang bestehen, der sich im Allgemeinen aus dem bestehenden Vertrag, der dinglichen oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ergeben dürfte.[10]

[1] Vgl. Anzinger/Oser/Schlotter, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen – Kommentar zum HGB mit Bezügen zum Steuerbilanzrecht, AktG, GmbHG, PublG und rechtsvergleichenden Bezügen zu Österreich, 2023, § 250 HGB Rz. 29.
[2] Vgl. Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2023, S. 648.
[3] In Anlehnung an Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner, Buchführung und Bilanz, 2020, S. 251.
[4] Vgl. Küting, in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 250 HGB Rz. 69, Stand: 12/2023.
[5] Vgl. Schubert/Waubke, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanzkommentar, 2022, § 250 Rz. 20.
[6] Vgl. Tiedchen, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Abt. II/9 Rz. 72, Stand: 10/2023.
[7] Vgl. Hayn/Weigert, Rechnungsabgrenzungsposten, in Böcking u. a., Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Stichwort B 218 Rz. 20, Stand: 1/2024; Tiedchen, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Abt. II/9 Rz. 75, Stand: 10/2023.
[8] Vgl. Anzinger/Oser/Schlotter, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen – Kommentar zum HGB mit Bezügen zum Steuerbilanzrecht, AktG, GmbHG, PublG und rechtsvergleichenden Bezügen zu Österreich, 2023, § 250 HGB Rz. 70.
[9] Vgl. Tiedchen, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Abt. II/9 Rz. 74, Stand: 10/2023.
[10] Vgl. Ollinger, Latente Steuern im handelsrechtlichen Einzelabschluss, 2015, S. 192 (Diss.).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge