Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 33
Nach den Rahmenkonzept besteht eine Ansatzpflicht für Vermögenswerte (assets), wenn
- es sich um eine in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende wirtschaftliche Ressource handelt, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt (CF 4.3) und
- die Ressource das Potenzial besitzt, wirtschaftlichen Nutzen zu generieren (CF 4.4).
In CF 4.4 wird die wirtschaftliche Ressource als ein Recht definiert. Die neue Definition von Vermögenswerten umfasst dabei neben vertraglichen und gesetzlichen Rechten auch solche, die auf andere Weise entstanden sind. Somit werden durch die neue Definition nicht nur diejenigen Vermögenswerte abgebildet, die sich aus juristischer Sicht im Eigentum des Unternehmens befinden, sondern auch Rechte, die zum Beispiel durch das Besitzen oder Leasen von Objekten (CF 4.7), der Gewinnung von nicht-öffentlichem Know-How (CF 4.7(a)) oder aufgrund von faktischen Verpflichtungen einer Gegenpartei (CF 4.7(b)) bestehen. So müssen etwa einige Leasinggegenstände beim bilanzierenden Unternehmen als Leasingnehmer wie normale Vermögenswerte in der Bilanz ausgewiesen werden, obwohl juristisch der Leasinggegenstand weiterhin dem Leasinggeber gehört (IFRS 16).
Rz. 33a
Ressourcen können auch individuelle Vorteile darstellen, die keine Vermögensgegenstände sind. Der Vermögensgegenstandsbegriff wird im HGB verwendet und knüpft an die selbständige Verkehrsfähigkeit an, d. h. Vermögensgegenstände liegen dann vor, wenn sie aus dem Unternehmen herausgelöst und einzeln veräußert werden können. Vermögenswerte sind dagegen weiter gefasst. Der wirtschaftliche Nutzenzufluss muss nicht direkt in Geld erfolgen, es können auch zukünftig ersparte Auszahlungen oder erhaltene Sachleistungen sein, die dann später in Geld umwandelbar sind. Es ist auch nicht notwendig, dass die Ressource sofort verkauft werden kann. Der IFRS-Abschluss bietet hier keinen hohen Gläubigerschutz über die Darstellung des liquidierbaren, d. h. schnell in Geld umwandelbares, Vermögens. Die in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende Ressource muss durch ein vergangenes Ereignis bestehen. Damit werden zukünftig mögliche Vermögenswerte aus der Abbildung ausgeschlossen. Es muss bereits bis zum Abbildungsstichtag ein Ereignis eingetreten sein, sodass ein Vermögenswert für das Unternehmen entstanden ist.
Rz. 33b
Die noch in CF2010 4.4 verlangte Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses ist fortan nicht weiter zu berücksichtigen. CF 4.14 fordert lediglich die Existenz des Rechts und die Möglichkeit zur Nutzengenerierung. Ein Recht kann durch die neue Definition auch dann als wirtschaftliche Ressource und somit als Vermögenswert klassifiziert werden, wenn die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses gering ist (CF 4.15).
Rz. 33c
Eine verlässliche Messbarkeit verlangt eine gewisse Greifbarkeit der Ressource. Eine vage Vermutung eines wirtschaftlichen Nutzens, ohne diesen verlässlich messen zu können, wobei auch bestimmte Schätzverfahren den Verlässlichkeitsanforderungen genügen, reicht nicht aus. Gleichzeitig wird durch den Hinweis auf die Relevanz der Ressource die verlässliche Messbarkeit wieder relativiert. Für die genannten Kriterien der Relevanz und der Zuverlässigkeit der Information besteht häufig ein Spannungsfeld, was ein Grundproblem der Rechnungslegung darstellt. Wenn der Nutzenzufluss erst in einer ex post-Betrachtung (im Nachhinein) zuverlässig messbar ist, verliert die Information ihre Relevanz. Im umgekehrten Fall können relevante Informationen nicht immer zuverlässig sein, weil z. B. noch nicht alle Details feststehen. Dieser Zielkonflikt führt zu einem Einschätzungsspielraum. Da auch das IASB oft keine operationalen und gleichzeitig sinnvollen Ansatzkriterien bestimmen kann, fehlt es an objektiven und gleichzeitig relevanten Ansatzgrundsätzen, sodass die Ansatzkriterien nur beschreibend sind und keine vollständig zufriedenstellende Hilfestellung bei konkreten Bilanzierungsproblemen bieten können.