FinMin Hessen, Erlaß v. 17.12.2007, S 0338 A - 020 - II 11
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main teilte mir mit, dass in hessischen Finanzämtern vermehrt Einsprüche wegen der beabsichtigten Reform des Erbschaftsteuerrechts eingehen. Zur Begründung führen die Steuerpflichtigen aus, dass sich nach Entwurf des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG-E) wegen höherer Freibeträge eine geringere Steuerlast ergeben würde.
Derzeit ergehen sämtliche Erbschaftsteuerbescheide nach dem Beschluss der AO-Referatsleiter des Bundes und der Länder zu TOP 28 der Sitzung AO 1/2007 vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO (vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.3.2007). Sie enthalten folgenden Erläuterungstext:
Die Festsetzung der Steuer ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02 angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.
Nach Artikel 3 Abs. 2 ErbStRG-E ist zudem vorgesehen, dass unanfechtbare Erbschaftsteuerbescheide auf Antrag rückwirkend geändert werden können und hierbei die Regelungen des durch das ErbStRG geänderten Erbschaftsteuergesetzes Anwendung finden. Voraussetzung ist, dass der Änderungsantrag innerhalb von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten des ErbStRG gestellt wird.
Ich habe die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main gebeten, die hessischen Finanzämter zu informieren, dass Einsprüche, die wegen der Reform des Erbschaftsteuerrechts eingelegt werden, als unzulässig zu verwerfen sind. Weiterhin sind diesbezügliche Stundungsanträge und Anträge auf Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung abzulehnen. Zur Begründung verweise ich auf die nachstehenden Ausführungen.
Rechtsschutzbedürfnis des Einspruchsführers
Eine in der AO nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung für den Einspruch ist das Rechtsschutzbedürfnis. Es muss daher ein schutzwürdiges, berücksichtigungswertes Interesse des Einspruchsführers an der begehrten Entscheidung im Einspruchsverfahren bestehen.
Grundsätzlich hat der Einspruchsführer kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der angegriffene Steuerbescheid nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 3 AO wegen einer Verfassungsstreitigkeit vorläufig ergeht und der Einspruchsführer sich ausschließlich auf diese beruft (AEAO zu § 351, Nr. 6). Vorliegend geht es den Einspruchsführern ausschließlich darum, den Erbschaftsteuerbescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen, um von den in der beabsichtigten Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes enthaltenen höheren Freibeträgen profitieren zu können. Diesem Begehren wird jedoch bereits durch die Vorläufigkeit des Erbschaftsteuerbescheids nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO in vollem Umfang Rechnung getragen (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.1993, BStBl 1994 II S. 119).
Ausnahmsweise besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des Einspruchsführers bei einem vorläufigen Steuerbescheid, wenn er besondere materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Gründe substantiiert vorträgt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 22.3.1996, BStBl 1996 II S. 506). Es liegt daher ein Rechtsschutzbedürfnis des Einspruchsführers nur vor, wenn nicht sicher ist, ob der Umfang des Vorläufigkeitsvermerks ausreicht, um die begehrte Korrektur der Steuerfestsetzung herbeizuführen (BFH-Urteil vom 16.2.2005, BFH/NV 2005 S. 1323). Dies beruhte im Urteilsfall darauf, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung unsicher war, ob auch die wegen eines Vorläufigkeitsvermerks ausschließlich materiell nicht bestandskräftigen (jedoch unanfechtbaren) Steuerbescheide wegen der durch das BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit der Familienbesteuerung geändert werden könnten.
Das BVerfG hat zwar vorliegend ebenfalls die Verfassungswidrigkeit des ErbStG festgestellt (BVerfG-Beschluss vom 7.11.2006, BStBl 2007 II S. 192), jedoch hat es dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 eingeräumt, in der das derzeitige Erbschaftsteuerrecht weiterhin angewendet werden kann. Deshalb hat der Steuerpflichtige jetzt noch keinen Anspruch auf Korrektur eines Erbschaftsteuerbescheids, der auf dem derzeitigen Erbschaftsteuerrecht beruht.
Nach Art. 3 Abs. 2 ErbStRG-E kann der Steuerpflichtige jedoch innerhalb von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten des geänderten ErbStG eine rückwirkende Änderung des Erbschaftsteuerbescheids beantragen, wenn die Erbschaftsteuer für einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31.12.2006 entstanden ist. Hierdurch wird es dem Steuerpflichtigen möglich, das ggf. günstigere Erbschaftsteuerrecht in der Form des ErbStRG in Anspruch zu nehmen, obwohl der Erbschaftsteuerbescheid bereits materiell bestandskräftig ist. Demgegenüber eröffnet Art. 3 Abs. 1 des Entwurfs des ErbStRG die zeitlich unbefristete Änderungsmöglichkeit für sämtliche n...