Leitsatz
1. Ein Land schuldet eine Abgabe unmittelbar i.S.d. § 40 Abs. 3 FGO, wenn es selbst den Besteuerungstatbestand erfüllt oder wenn ihm die Verwirklichung des Besteuerungstatbestands durch einen Dritten steuerlich zuzurechnen ist.
2. Mittelbar i.S.d. § 40 Abs. 3 FGO schuldet ein Land eine Abgabe, wenn es öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, die Abgabenschuld eines Dritten – und sei es auch nur neben ihm oder im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Dritten – zu erfüllen.
3. Die Beteiligung eines Landes an einer Kapitalgesellschaft als Aktionär oder Gesellschafter führt nicht dazu, dass das Land mittelbarer Schuldner der von der Kapitalgesellschaft zu entrichtenden GewSt ist (Abweichung vom BFH-Urteil vom 2.10.1962, I 196/60 S, BStBl III 1963, 216).
Normenkette
§ 40 Abs. 3 FGO , § 69 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine Gemeinde. In ihrem Gebiet unterhielt die T-AG u.a. im Erhebungszeitraum 1994 (Streitjahr) eine Betriebsstätte. Das seinerzeit zuständige FA setzte für den Gewerbebetrieb der T-AG den einheitlichen GewSt-Messbetrag 1994 auf rund 3,5 Mio. DM fest und zerlegte ihn auf die nach der Zerlegungserklärung der T-AG hebeberechtigten Gemeinden. Der Antragstellerin wurde ein Zerlegungsanteil von rund 3 Mio. DM zugeteilt. Zu Beginn des Jahres 1996 verlegte die T-AG ihren Sitz nach Berlin. Dadurch wurde das FA für ihre Besteuerung zuständig.
Durch Urteil vom 13.5.1998 entschied das FG, die T-AG sei in den Erhebungszeiträumen 1981 bis 1985 gewerbesteuerrechtlich eine Organgesellschaft der an ihrem Aktienkapital mehrheitlich beteiligten M-AG in Berlin gewesen (EFG 1999, 82). Aufgrund dessen nahm das FA an, die T-AG sei auch bereits im Streitjahr eine Organgesellschaft der M-AG gewesen. Es hob deswegen den GewSt-Mess- und den Zerlegungsbescheid auf. Dagegen richtet sich der Einspruch der Antragstellerin. Zugleich wurde AdV beantragt. Während des AdV-Verfahrens stellte sich heraus, dass das Land Berlin für die M-AG eine Patronatserklärung abgegeben hat.
Entscheidung
Der BFH hielt den AdV-Antrag im Ergebnis für unzulässig. Gem. § 40 Abs. 3 FGO sei eine Gemeinde wegen der festgesetzten GewSt-Messbeträge nur dann rechtsbehelfsbefugt, wenn das betreffende FA als Landesfinanzbehörde die GewSt ganz oder teilweise für die Gemeinde verwaltet und das Land die GewSt ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar schulden würde, m.a.W.: wenn auf Seiten der Finanzverwaltung Gläubiger und Schuldner zusammenfielen.
Könne im Streitfall von einer unmittelbaren Steuerschuldnerschaft des Landes Berlin von vornherein keine Rede sein, so scheide auch eine nur mittelbare Steuerschuldnerschaft aus. Die Patronatserklärung reiche dafür nicht aus. Vielmehr müsse es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handeln, z.B. aufgrund Gesetzes oder infolge einer Anstaltspflicht. Rein wirtschaftliche oder faktische Zwänge reichten nicht aus.
Hinweis
1. Zu Ihrem Mandantenkreis werden vermutlich nicht gerade häufig Gebietskörperschaften und insbesondere Gemeinden gehören. Dennoch können sich hier zunehmend Konflikte ergeben: Zum einen dürfte der Fiskalhunger der Kommunen aufgrund deren Haushaltsnöte sicherlich größer geworden sein, so dass die Stadtkämmereien sich intensiver um das GewSt-Aufkommen kümmern. Zum anderen lagern auch die steuerverwaltenden Länder zunehmend bislang hoheitliche Bereiche in privatrechtliche organisierte Strukturen aus. Dadurch ergeben sich dann gewisse Interessenkonflikte auf Seiten der Landesfinanzverwaltungen. Denn die Länder können dann u.U. zugleich Steuergläubiger wie auch Steuerschuldner sein, nämlich als Gesellschafter der bisherigen Hoheitsbetriebe. Das Gesetz greift diese Interessenkonflikte auf, indem es den Gemeinden gem. § 40 Abs. 3 FGO für diese Fälle – aber auch nur für diese Fälle – unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht einräumt, gegen die festgesetzten GewSt-Messbescheide mit Rechtsbehelfen vorzugehen.
Danach bedarf es nicht unbedingt einer unmittelbaren Steuerschuldnerschaft des Landes; es genügt bereits eine nur mittelbare. Allerdings: Der BFH stellt nunmehr klar, dass er "mittelbar" in diesem Sinn nur Verpflichtungen aufgrund öffentlichen Rechts meint, also letztlich nur Fälle gesetzlichen Einstehenmüssens bei der eigentlichen Erfüllung, etwa bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt.
Bloße Bürgschafts- oder Patronatserklärungen, die ein Land zugunsten eines maroden Privatunternehmens abgibt, um Arbeitsplätze zu sichern, genügen nicht, ebenso wenig faktische und wirtschaftliche Zwänge des Einstehenmüssens anderer Art. Entgegen einer früheren Rechtsprechung, die allerdings noch aus der Zeit vor Einführung der FGO stammt, genügt auch nicht der Umstand, dass das Land an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Der Bereich des denkbaren Interessenkonflikts zwischen Steuerschuldner und Steuergläubiger wird sonach recht eng gezogen.
2. Das gilt alles für "normale" Rechtsbehelfe wie Klage und Einspruch, naturgemäß aber auch für Anträge auf AdV. Allerdings darf hier nicht unberücksichtigt...