OFD Frankfurt, Verfügung v. 14.7.2003, FG 2026 A - 2 - St II 40
1. Es wird gebeten, zu den Auswirkungen eines Zuständigkeitswechsels auf das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren folgende Auffassung zu vertreten (vgl. AO-Kartei, § 367 AO, Allgemeines, Karte 3):
1.1 Zuständigkeitswechsel durch Änderung der Finanzamts-Bezirksgrenzen oder Übertragung von Verwaltungsaufgaben
Bei einer Änderung der Finanzamts-Bezirksgrenzen (z.B. durch kommunale Neugliederung) oder einer Übertragung von Verwaltungsaufgaben (z.B. durch Zentralisierung) verliert die bisher zuständige Finanzbehörde im Verhältnis zu den von der Veränderung betroffenen Steuerpflichtigen die Fähigkeit, Pflichtsubjekt des öffentlichen Rechts zu sein (vgl. BFH vom 15.12.1971, BStBl 1972 II S. 438 und vom 10.11.1977, BStBl 1978 II S. 310; s. auch BFH vom 7.11.1978, BStBl 1979 II S. 169).
Im finanzgerichtlichen Verfahren geht die Passivlegitimation auf die nunmehr zuständige Behörde über, wenn vor Erlass der Entscheidung über den Einspruch eine andere Behörde zuständig geworden ist (§ 63 Abs. 2 FGO). Gleiches gilt, wenn der Zuständigkeitswechsel nach Erlass der Einspruchsentscheidung eingetreten ist; die während eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens eintretende Zuständigkeitsänderung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. BFH vom 15.12.1971, BStBl 1972 II S. 438, vom 19.2.1975, BStBl 1975 II S. 584 und vom 10.11.1977, BStBl 1978 II S. 310). Dies gilt auch bei einem Zuständigkeitswechsel während eines Revisionsverfahrens (vgl. BFH vom 19.11.1974, BStBl 1975 II S. 210 und vom 1.8.1979, BStBl 1979 II S. 714).
1.2 Zuständigkeitswechsel durch Maßnahmen des Steuerpflichtigen (insbesondere Wohnsitzverlegung)
Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist bei vorangegangenem Einspruchsverfahren die Klage gegen die Behörde zu richten, welche die Einspruchsentscheidung erlassen hat; das ist bei einem Zuständigkeitswechsel vor Erlass der Einspruchsentscheidung die neu zuständige Finanzbehörde und bei einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 26 Satz 2 AO die bisher zuständige, das Verwaltungsverfahren weiterführende Finanzbehörde (vgl. § 367 Abs. 1 AO). Durch einen Zuständigkeitswechsel nach Erlass der Einspruchsentscheidung wird die Passivlegitimation nicht berührt.
In Fällen der unmittelbaren Klage nach § 46 FGO ist die Behörde passivlegitimiert, die im Zeitpunkt der Klageerhebung zuständig war. Ein erst nach Klageerhebung eintretender Zuständigkeitswechsel hat keine Auswirkungen auf die Passivlegitimation.
2. Praktische Abwicklung bei einem Zuständigkeitswechsel nach Tz. 1.2
Ändert sich die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts für die Besteuerung (§§ 17 ff. AO) nach Erlass einer Einspruchsentscheidung und erhebt der Steuerpflichtige Klage, so bleibt das bisher zuständige FA – ungeachtet des Zuständigkeitswechsels im Übrigen – Beklagter.
Vorbehaltlich einer Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den beteiligten Finanzämtern und dem Steuerpflichtigen für die verwaltungsmäßige Abwicklung der streitbefangenen Abgaben und Veranlagungszeiträume bis zum Abschluss des Klageverfahrens durch das bisher zuständige FA (§ 27 AO) ist wie folgt zu verfahren:
2.1 Aktenabgabe
Unbeschadet des Klageverfahrens hat das FA die Aktenabgabe zu veranlassen, sobald es von den Voraussetzungen für den Zuständigkeitswechsel Kenntnis erlangt hat (§ 26 Satz 1 AO, § 87 Abs. 1 BuchO).
2.2 Rückbehalt
Vom abgebenden FA sind aber alle Vorgänge aus den Akten zurückzubehalten, die noch zur Bearbeitung der Klage benötigt werden. Das zuständig gewordene FA ist hierauf bei der Aktenübersendung unter Angabe der zurückbehaltenen Schriftstücke besonders hinzuweisen. Soweit diese Vorgänge voraussichtlich auch für das zuständig gewordene FA Bedeutung haben, sind Ablichtungen zu fertigen und den abzugebenden Akten mit besonderem Vermerk beizufügen.
2.3 Entscheidung über AdV-Antrag, Abhilfebescheid und Unterrichtung des Finanzgerichts
Die mit der anhängigen Klage zusammenhängenden Angelegenheiten sind vom abgebenden FA zu bearbeiten. Hierzu rechnen u.a. die Entscheidung über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und die Erledigung der Klage durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheids (mit Ausnahme der Sollstellung und der Bekanntgabe, vgl. Tz. 2.4). Wird der Bescheid während des gerichtlichen Verfahrens geändert, so ist es ebenfalls Sache des vorgenannten (am Verfahren beteiligten) Finanzamts, dem Finanzgericht hiervon gemäß § 68 Satz 3 FGO Kenntnis zu geben.
2.4 Bekanntgabe und Sollstellung
Wegen der bereits erfolgten Abgabe ist im Regelfall die maschinelle Erstellung geänderter Steuerbescheide nicht möglich. In diesen Fällen sind deshalb – unter Verwendung maschineller Probeberechnungen – manuelle Bescheide unter Beachtung der Formvorschriften (§§ 119, 157 AO) zu fertigen. Die so erstellten Bescheide (Reinschrift für den Steuerpflichtigen und Kopie der Aktenausfertigung/Verfügung) sind dem neu zuständig gewordenen FA mit ausreichenden Erläuterungen zuzuleiten.
Die kassenmäßige Bearbeitung obliegt nach...