Prof. Dr. Peter Bilsdorfer
Ein Gesetz im materiellen Sinne ist eine abstrakt-generelle Rechtsnorm, die sich an eine Vielzahl von Personen richtet und eine Vielzahl von Fällen regelt also grundsätzlich jeder positive Rechtssatz. Insoweit ist auch natürlich ein formelles Gesetz auch eine materielle Rechtsnorm.
Rechtsverordnung
Wichtigstes materielles (und nicht formelles) Gesetz ist die Rechtsverordnung. Gerade im Steuerrecht gibt es zahlreiche solche Normen (EStDV, UStDV u. a.). Rechtsverordnungen ergänzen dabei das formelle Steuergesetz (EStG, UStG u. a.). Es sind Rechtsnormen, die von der Exekutive erlassen werden und sich von einem formellen Gesetz nicht durch ihren Inhalt oder ihre Bindungswirkung unterscheiden, sondern durch den Normgeber. Die Rechtsverordnung weist gegenüber dem Gesetz mehrere Vorteile auf: Das komplizierte formelle Gesetzgebungsverfahren entfällt, eine schnellere Anpassung bei veränderten Bedürfnissen (insb. bei der Regelung technischer Einzelfragen) wird möglichund Fachkenntnisse der Verwaltung können genutzt werden.
Rechtsverordnungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer Ermächtigung in einem förmlichen Gesetz (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese Ermächtigung muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung bestimmen. Gerade für das Steuerrecht hat dies zur Folge, dass die wesentlichen Tatbestandsmerkmale im förmlichen Gesetz (etwa dem EStG) geregelt sein müssen, also Steuersubjekt, Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz. Bei Steuergesetzen muss schon aus der Ermächtigung voraussehbar sein, was vom Bürger gefordert werden kann. So sollte der Steuerpflichtige grundsätzlich aus der Ermächtigung und nicht erst aus der Verordnung entnehmen können, mit welcher Steuerbelastung er zu rechnen hat.
Satzungen
Auch Satzungen sind Rechtsnormen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (z. B. Gemeinden, Kirchen) im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen Personen und zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten erlassen werden. Insbesondere die Gemeinden sind befugt, von ihren Gemeindebürgern Steuern zu erheben. Diese Steuersatzungshoheit ist als Teil der gemeindlichen Finanzhoheit in den Kommunalabgabengesetzen der Länder geregelt (s. z. B. § 9 KAG BW). Zudem bestimmt Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG, dass die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst. Hierzu gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
Die Steuersatzungshoheit der Gemeinden findet ihre kompetenzrechtlichen Grenzen in Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Gerade letztgenannter Gesichtspunkt bietet aktuell immer wieder Probleme im Bereich der Zweitwohnungssteuer. Sie ist eine örtliche Aufwandsteuer, welche an das Innehaben einer Zweitwohnung in der betreffenden Gemeinde anknüpft.