Leitsatz
1. Zumindest in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter allgemeine Einsicht in die beim FA über den Schuldner geführten Vollstreckungsakten begehrt, handelt es sich um eine Streitigkeit nach § 33 Abs. 1 FGO, sodass der Finanzrechtsweg eröffnet ist.
2. Von einer unspezifischen Einsichtnahme in Vollstreckungsakten ist nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Steuererhebung betroffen.
3. Dagegen ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet, wenn der Insolvenzverwalter zur Prüfung der Voraussetzungen eines dem Grunde nach bestehenden Anfechtungsrechts nach der InsO Einsicht in die Vollstreckungsakten nehmen will.
Normenkette
§ 33 FGO, § 17a Abs. 3 S. 2 GVG, § 4 IFG
Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter begehrte vom FA eine Reihe von Auskünften bzw. Einsicht in die dort geführten Vollstreckungsakten des Schuldners, ohne Sinn und Zweck seines Begehrens weiter zu bezeichnen. Gegen die vom FA erklärte Verweigerung der Auskunft und Akteneinsicht erhob er Klage zum FG, das durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 S. 2 GVG die Zulässigkeit des Rechtswegs feststellte (FG Hamburg, Beschluss vom 02.07.2010, 6 K 75/09, Haufe-Index 2383124, EFG 2010, 2018). Hiergegen erhob der Verwalter Beschwerde zum BFH.
Entscheidung
Der BFH hat Zulässigkeit des Finanzrechtswegs ebenfalls bejaht und die Beschwerde demgemäß zurückgewiesen.
Hinweis
1. Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 1, 5 GVG). Deshalb ist über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs durch eine – beschwerdefähige – Entscheidung vorab zu befinden, wenn ein Beteiligter die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt.
2. Ein Anspruch auf Einsicht in vom FA für die Steuerpflichtigen geführte Akten besteht nach der AO nicht; es gibt insoweit lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunfts- oder Akteneinsichtsbegehren. Die Informationsfreiheitsgesetze (im Entscheidungsfall anwendbar das Hamburgische IFG) räumen jedoch dem Einzelnen grundsätzlich einen solchen (Rechts-)Anspruch ein. Dessen Grenzen sind im Einzelnen noch ungeklärt.
3. Die IFG der Länder enthalten im Allgemeinen keine ausdrückliche Rechtswegzuweisung; das IFG des Bundes scheint die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs zu unterstellen. So oder so bleibt aber die Frage, ob nicht ggf. § 33 FGO als lex specialis vorrangig zu berücksichtigen ist und bei Steuerakten allein den Finanzrechtsweg eröffnet.
4. Ebendies ist nach der Entscheidung des BFH hinsichtlich vom FA geführter Steuerakten, zu denen auch die Vollstreckungsakten gehören, grundsätzlich der Fall, und zwar unabhängig davon, ob der Auskunfts-/Akteneinsichtsanspruch auf das IFG oder das richterrechtlich entwickelte Institut des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gestützt wird oder – möglicherweise – erfolgreich gestützt werden kann.
5. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn der betreffende Anspruch in einem konkreten insolvenzrechtlichen Anfechtungsstreit erhoben wird, sich also aus einem insoweit in Betracht kommenden, jedoch strittigen Rückgewährschuldverhältnis herleitet. Dann ist auch nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.08.2009, IX ZR 58/06, BFH/NV 2009, 2125) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Diese Differenzierung nötigt also zu der vermutlich nicht immer einfachen und zu eindeutigen Ergebnissen führenden Differenzierung, ob von dem betreffenden Antragsteller ein konkretes Anfechtungsrecht bereits benannt ist oder er vielmehr noch gleichsam auf der allgemeinen Suche nach Anfechtungsmöglichkeiten oder sonstigen seinen Interessen förderlichen Erkenntnissen ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 10.02.2011 – VII B 183/10