Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Bei einer absehbaren Verweildauer von vier Jahren an einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nach einer unbefristeten Versetzung ist eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte regelmäßige Arbeitsstätte anzunehmen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
K, Polizeibeamter in NRW, war bis September 2000 bei der Kreispolizeibehörde in I tätig. Am 17.8.2000 wurde er als Fachlehrer zum PAI in H versetzt. Nach dem behördlichen Verwendungskonzept sollte die Rückversetzung voraussichtlich zum 1.10.2004 erfolgen. Ks Einsatz im PAI als Fachlehrer und später als Jahrgangsleiter endete mit Abschluss der Ausbildung des entsprechenden Jahrgangs am 31.3.2004. Danach wurde K im PAI bis zum 22.8.2005 als Fachlehrer im gehobenen Dienst und als Kursleiter tätig. Das sollte zunächst bis 31.8.2009 andauern, wurde aber bis zum 31.8.2010 verlängert. Ende März 2009 wurde K im PAI eine Stelle als "Modulgruppenleiter" bis zum 31.8.2013 zugewiesen. Als Ks Wunschbehörde war bei den Stellenzuweisungen und den Personalverwendungsgesprächen jeweils die Kreispolizeibehörde in I vermerkt. Der dienstrechtliche Regelverwendungszeitraum für in der Aus- und Fortbildung tätige Dozenten war grundsätzlich auf vier Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um 2 Jahre begrenzt. Dann sollten die Dozenten wieder an ihre jeweilige "Wunschbehörde" versetzt werden. Das FA sah für das Streitjahr (2008) das PAI als Ks regelmäßige Arbeitsstätte; die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 28.2.2012, 6 K 644/11 E, Haufe-Index 3528216, EFG 2013, 116).
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen die Ansicht des FG, dass das PAI Ks regelmäßige Arbeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG war.
Hinweis
Das hier besprochene Urteil entspricht in seinem Rechtsmaßstab dem vorstehend besprochenen Urteil vom 8.8.2013 (VI R 72/12). Danach ist in solchen Fällen letztlich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls – auf Grundlage der Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – ex ante zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer dort eine (neue) regelmäßige Arbeitsstätte begründet hat oder ob er an seine regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.
Hier ergab die Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls im Gegensatz zum voranstehenden Urteil (VI R 72/12), dass das Polizeiausbildungsinstitut (PAI) Ks regelmäßige Arbeitsstätte geworden war. Denn K war unbefristet an das PAI versetzt worden. K musste also von Anfang an davon ausgehen, dort dauerhaft tätig zu sein. Der BFH ließ es aber offen, ob bei unbefristeter Versetzung an eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers diese stets zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird. Hier ergab sich aus den ministeriellen Vorgaben, dass der typische Verwendungszeitraum als Dozent im PAI regelmäßig auf vier Jahre begrenzt ist. Bei einer absehbaren Verweildauer an einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nach einer Versetzung von mindestens vier Jahren liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer zur Minderung der Wegekosten entsprechend einstellen kann. Die jeweils unterschiedlichen Funktionen, die man K zugewiesen hatte, ändern daran nichts, solange K in derselben betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, dem PAI, tätig gewesen war.
Beachten Sie: Möglicherweise nimmt der BFH hier schon eine Anleihe am neuen steuerlichen Reisekostenrecht, das eine zeitliche Obergrenze (höchstens 4 Jahre) für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vorsieht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.8.2013 – VI R 59/12