2.1 Reifegrade und Reifegradmodelle
Aufbau und Ziele
Reifegradmodelle wurden ursprünglich vor allem im Qualitätsmanagement und der Softwareentwicklung eingesetzt. Das wohl bekannteste Reifegradmodell ist das "Capability Maturity Model Integration" (CMMI)-Modell der Carnegie Mellon Universität, das auch als Grundlage für die Entwicklung weiterer Reifegradansätze in verschiedenen Disziplinen und Branchen diente. Anhand eines Reifegrades wird beurteilt, inwieweit ein Untersuchungsobjekt – hier die Integration von Risikomanagement und Controlling – definierte Anforderungen erfüllt, wobei die Anforderungen mit zunehmendem Reifegrad anspruchsvoller werden und damit schwieriger zu erfüllen sind. Reifegrade bauen somit in ihrer Abfolge aufeinander auf und können durch entsprechende Kriterien eindeutig bewertet werden. Ein höherer Reifegrad wird erreicht, wenn alle Anforderungen des jeweils vorgelagerten und der niedrigeren Reifegrade erfüllt sind.
Ausprägungen
Reifegradmodelle definieren somit eine standardisierte Abfolge von Schritten und Aktivitäten, durch die das Untersuchungsobjekt zunehmend höhere Anforderungen erfüllt. Sie berücksichtigen, dass eine Organisationsentwicklung schrittweise erfolgen sollte. Die Modelle verfügen über eine feste Anzahl von Reifegraden und sind nach bestimmte Dimensionen strukturiert (z. B. Mensch, Organisation etc.). In der Literatur gibt es bislang nur Reifegradmodelle für die Gestaltung des RM oder des Controllings, jedoch existiert bis jetzt kein Reifegradmodell für die Integration von Risikomanagement und Controlling.
2.2 Aufbau des RiskMIMM
Dimensionen des Modells
Zur Beschreibung eines Prozesses der Integration von Risikomanagement und Controlling wurde daher das Risk Management Integration Maturity Model (RiskMIMM) entwickelt. Es basiert auf einem Selbstanalysefragebogen des Arbeitskreises "Risikomanagement und Controlling" der Risk Management Association e. V. (RMA) und des Internationalen Controllervereins e. V. (ICV) und organisiert den Prozess der Integration entlang von fünf Dimensionen:
- Strategie/Steuerung: Eine Integration beider Bereiche bedingt die Einbeziehung von erwarteter Rendite und Risiko in die Strategieformulierung, das Zielsystem sowie die Steuerungs- und Reportingsysteme einer Organisation. Rendite und Risiko sind dann gleichberechtigte Kriterien in allen Managemententscheidungen.
- Instrumente: Eine gemeinsame Nutzung von Instrumenten durch das RM und das Controlling verbessert die Aussagekraft und die Effizienz der Unternehmenssteuerung. So können z. B. durch Szenarioanalysen und Simulationen Risiken in die operative Unternehmensplanung integriert werden.
- Organisation/Prozesse: Hier geht es um die organisatorische Regelung der Zusammenarbeit von RM und Controlling und die ablauf- und aufbauorganisatorische Integration beider Bereiche. Durch eine stärkere organisatorische Integration werden Doppelarbeiten vermieden und Ineffizienzen abgebaut.
- Personal: Die personelle Integration erfolgt durch eine disziplinarische und fachliche Zuordnung beider Bereiche zum selben Geschäftsführungsmitglied, gemeinsame Ausbildungsinhalte von Risikomanagern und Controllern und eine systematische Jobrotation.
- Technik/IT: Eine Integration im Bereich Technik/IT erfordert die Möglichkeit des wechselseitigen Zugriffs auf die Instrumente und Systeme des jeweils anderen Bereichs. Zudem sollten entsprechende Schnittstellen für den Daten- und Informationsaustausch eingerichtet sein. Die Integration kann bis zu einem vollständig integriertem System reichen, das von beiden Bereichen genutzt wird.
Reifegrade der Integration
Der Integrationsstand von RM und Controlling wird durch 5 Reifegrade beschrieben.
Abb. 1: Reifegrade des RiskMIMM
Nachfolgend werden die Reifegrade für die einzelnen Dimensionen näher beschrieben.
2.3 Ansätze der Integration von RM und Controlling in den verschiedenen Dimensionen
Dimension "Strategie/Steuerung"
Für eine zunehmende Integration von RM und Controlling muss das Management zunächst ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Risikoziele als gleichberechtigte Kriterien neben die üblichen Erfolgs- und Renditeziele bei allen Managemententscheidungen treten. Dafür ist es zunächst notwendig, dass die Unternehmensstrategie und die vorhandenen Teilstrategien durch Risikoaspekte ergänzt, anschließend durch Risikoziele konkretisiert und durch geeignete Risikokennzahlen messbar gemacht werden. Diese messbaren Risikoziele werden schrittweise in die vorhandenen Steuerungssysteme des Unternehmens integriert, insbesondere in die strategische und operative Unternehmensplanung, die Erfolgsmessung, die Zielvereinbarungen mit dem Management und als Bemessungsgrundlage für das betriebliche Anreizsystem. Zudem bilden sie die Basis für die Berechnung der Risikotragfähigkeit des Unternehmens.