3.3.1 Gesetzliche Definition

 

Rz. 23

Die "erste Tätigkeitsstätte" wird in § 9 Abs. 4 EStG wie folgt definiert:

1Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. 2Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. 3Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. 4Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer

1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
2. je Arbeitswoche 2 volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

5Je Dienstverhältnis hat der Arbeitnehmer höchstens eine erste Tätigkeitsstätte. 6Liegen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 für mehrere Tätigkeitsstätten vor, ist diejenige Tätigkeitsstätte erste Tätigkeitsstätte, die der Arbeitgeber bestimmt. 7Fehlt es an dieser Bestimmung oder ist sie nicht eindeutig, ist die der Wohnung örtlich am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte. 8Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

3.3.2 Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte nach arbeits-/dienstrechtlichen Kriterien

 

Rz. 24

Ortsfeste betriebliche Einrichtung

Als Tätigkeitsstätte kommt nur eine ortsfeste betriebliche Einrichtung

  • des Arbeitgebers
  • eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder
  • eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten

in Betracht.

Wird die Tätigkeit beispielsweise auf Fahrzeugen oder in Tätigkeitsgebieten ohne ortsfeste Einrichtung ausgeübt, kann keine erste Tätigkeitsstätte vorliegen, z. B. Busfahrer im Bus, Pilot und Stewardessen im Flugzeug, Lokführer und Zugbegleiter im Zug, Besatzung auf Schiffen.

Mangels betrieblicher Einrichtung ist das in der Wohnung befindliche häusliche Arbeitszimmer keine erste Tätigkeitsstätte.

Eine Verschärfung gilt in den Fällen, in denen Arbeitnehmer bei einem verbundenen Unternehmen oder einem Dritten, z. B. Kunden, eingesetzt werden. Der BFH hatte für diese Fälle entschieden, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers nur dann regelmäßige Arbeitsstätte sein kann, wenn der Arbeitgeber dort (ausnahmsweise) über eine eigene Betriebsstätte verfügte (sog. Kunden-Rechtsprechung).[1] Dies hatte auch die Finanzverwaltung bestätigt.[2] Seit dem 1.1.2014 kann somit eine erste Tätigkeitsstätte auch bei einem verbundenen Unternehmen oder einem Dritten vorliegen.[3] Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dort länger als 48 Monate, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder unbefristet zuordnet. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen hiermit Ausnahmefälle erfasst werden, z. B. Fälle des "Outsourcing".[4]

 

Rz. 25

Dauerhafte Zuordnung

Die ortsfeste betriebliche Einrichtung kann nur dann zur ersten Tätigkeitsstätte werden, wenn der Arbeitnehmer dieser dauerhaft zugeordnet wird. Von einer solchen dauerhaften Zuordnung ist insbesondere dann auszugehen, wenn

  • der Arbeitnehmer unbefristet,
  • für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
  • über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus

an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.[5]

Die Zuordnung "bis auf Weiteres" ist eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft.[6]

Es handelt sich hierbei um eine Prognosebetrachtung ("soll"). Weichen die tatsächlichen Verhältnisse später durch unvorhergesehene Ereignisse, z. B. Krankheit, politische Unruhen am Tätigkeitsort, Insolvenz des Kunden o.  Ä., von der vereinbarten Festlegung ab (Ex-post-Betrachtung), sind diese nicht maßgeblich. Es bleibt bei der im Vorfeld festgelegten Zuordnung (Ex-ante-Betrachtung).[7]

 

Rz. 26

Dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung

Die Bestimmung der Tätigkeitsstätte knüpft vorrangig an die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen des Arbeitgebers an.[8] Diese können durch schriftliche oder mündliche Absprachen und Weisungen erfolgen. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder auch an anderen Tätigkeitsstätten ausübt. Insoweit wird dem umfassenden Direktionsrecht des Arbeitgebers auch steuerlich Rechnung getragen.

Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen, z. B. Personalaktenführung, ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, ist keine Zuordnung i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG. Auf die Q...

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