11.3.1 Grundsätzliches
Die gesetzliche Rentenversicherung bietet nicht nur Versicherten Schutz im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit, sondern gewährt auch Hinterbliebenen im Fall des Todes des Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen Ersatz für den fehlenden Unterhalt. Renten wegen Todes (Hinterbliebenenrenten) sind
- die kleine Witwen- bzw. Witwerrente,
- die große Witwen- bzw. Witwerrente,
- die Erziehungsrente und
- die Waisenrente.
Auch für diese Renten hat sich seit 2005 die Besteuerung geändert. Das gilt für bereits bestehende als auch für neu beginnende Renten. Alle Hinterbliebenenrenten werden ab 2005 gleich behandelt. Maßgebend für den Besteuerungsanteil ist das Kalenderjahr des Rentenbeginns. Für am 1.1.2005 bereits bestehende Hinterbliebenenrenten beträgt der Besteuerungsanteil 50 % der Jahresrente. Ab 2005 muss nicht mehr unterschieden werden, ob es sich um eine abgekürzte Leibrente oder eine lebenslängliche Leibrente handelt.
Besteuerung einer Witwenrente
Die 50 Jahre alte Frau B erhält nach dem Tod ihres Ehemanns ab 1.7.2004 eine große Witwenrente von monatlich 400 EUR (Jahresrente 2005 = 4.800 EUR; Rentenfreibetrag 2005 somit 50 % von 4.800 EUR = 2.400 EUR). Die Jahresrente 2024beträgt 6.200 EUR.
Frau B muss versteuern:
im Jahr 2024: |
|
Jahresrente: |
6.200 EUR |
Rentenfreibetrag: wie 2005 (50 % von 4.800 EUR) |
./. 2.400 EUR |
Werbungskosten-Pauschbetrag |
./. 102 EUR |
Sonstige Einkünfte |
3.698 EUR |
11.3.2 Verstorbener war bereits selbst Rentner
Hat der bzw. die Verstorbene selbst bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen, gilt wiederum die Besonderheit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 8 EStG. Hat also der Verstorbene bereits eine Altersrente oder Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentversicherung bezogen, handelt es sich bei der Hinterbliebenenrente um eine Folgerente aus derselben Versicherung. Für die Folgerente, also die Hinterbliebenenrente, wird vom Finanzamt ein – günstigeres – fiktives Jahr des Rentenbeginns ermittelt, wenn die Rente des Verstorbenen nicht vor dem 1.1.2005 endete. Bei der Ermittlung des zu besteuernden Prozentsatzes ist das das Jahr zugrunde zu legen, das sich rechnerisch ergibt, wenn vom Jahr des Beginns der Witwenrente die Laufzeit der vorhergehenden Rente abgezogen wird, mindestens aber 50 %. Diese Regelung gilt sowohl für Witwen-/Witwerrenten als auch Waisenrenten.
Beispiel 1:
Besteuerung einer Altersrente nach Umwandlung in eine Witwenrente
A ging am 1.7.2004 in Rente. Seine Altersrente betrug im Jahr 2005 12.000 EUR. Er starb im Jahr 2024. Seine Ehefrau B erhält ab 1.7.2024 eine große Witwenrente von monatlich 770 EUR.
Obwohl die Witwenrente von Frau B 2024 beginnt, beträgt der Besteuerungsanteil für diese Rente nicht 83,0 %, sondern 50 %. Frau B muss versteuern:
im Jahr 2024: große Witwenrente: 6 × 770 EUR |
4.620 EUR |
Rentenfreibetrag: 50 % von 4.620 EUR = |
./. 2.310 EUR |
Werbungskosten-Pauschbetrag |
./. 102 EUR |
Sonstige Einkünfte 2024 |
2.208 EUR |
im Jahr 2025: |
|
große Witwenrente, Jahresrente: 12 × 770 EUR = |
9.240 EUR |
Rentenfreibetrag: 50 % von 9.240 EUR = |
./. 4.620 EUR |
Werbungskosten-Pauschbetrag |
./. 102 EUR |
Sonstige Einkünfte 2025 |
4.518 EUR |
Der Rentenfreibetrag für die gesamte restliche Laufzeit der Witwenrente von Frau B beträgt 4.620 EUR.
Beispiel 2:
Besteuerung einer Witwenrente unter Berücksichtigung des fiktiven Rentenbeginns
A ging am 1.9.2005 in Rente. Seine Altersrente betrug monatlich 1.000 EUR. Er starb im Februar 2024. Seine Ehefrau B erhält ab 1.3.2024 eine Witwenrente von monatlich 550 EUR. Die Rente erhöht sich ab 1.7.2025 auf angenommen 570 EUR.
Obwohl die Witwenrente von Frau B am 1.3.2024 begann, beträgt der Besteuerungsanteil für diese Rente nicht 83,0 %, weil die Laufzeit der Rente des Verstorbenen A (18 1/2 Jahre) von dem Jahr des Beginns der Witwenrente abgezogen werden muss: fiktiver Rentenbeginn ist somit der 1.9.2005. B "erbt" gewissermaßen den günstigeren Besteuerungsanteil ihres verstorbenen Ehemanns – sie muss versteuern:
im Jahr 2024: Witwenrente: 10 × 550 EUR = |
5.500 EUR |
Rentenfreibetrag: 100 % ./. 50 % = 50 % von 5.500 EUR = |
./. 2.750 EUR |
Werbungskosten-Pauschbetrag |
./. 102 EUR |
Sonstige Einkünfte 2024 |
2.648 EUR |
|
|
im Jahr 2025 6 × 550 EUR + 6 × 570 EUR = |
6.720 EUR |
Rentenfreibetrag: 50 % von 6.660 EUR = |
./. 3.360 EUR |
Werbungskosten-Pauschbetrag |
./. 102 EUR |
Sonstige Einkünfte |
3.258 EUR |
Der Rentenfreibetrag für die gesamte restliche Laufzeit der Witwenrente von B beträgt 3.360 EUR.
Daneben ausbezahlte gesetzliche Rente
Für eine evtl. daneben an B ausgezahlte gesetzliche Rente hat dies keine steuerliche Bedeutung. Würde B ab dem Jahr 2024 eine eigenständige Altersrente beziehen, wäre für diese Rente ein Besteuerungsanteil von 83,0 % maßgebend. Grund: Die Altersrente von B beruht auf einem anderen Rentenstammrecht, sodass es sich nicht um eine Folgerente aus einer anderen Versicherung handelt.