Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die die Angaben des § 356 Abs. 1 AO enthält, nicht "unrichtig" i.S.d. § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist, wenn sie ergänzend den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO (Schriftform) wiedergibt und nicht zugleich auf § 87a AO (elektronische Kommunikation) verweist.
Normenkette
§ 87a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 356 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 AO, § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Gegen die Antragstellerin, eine GmbH, hatte das FA am 10.10.2011 wegen eines Grundstücksgeschäfts im Ausland gem. § 50a Abs. 7 (i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG 2009 den Abzug von KSt von 735.000 EUR angeordnet. Der Bescheid trug keinen Hinweis auf eine E-Mail-Adresse des FA, die sich allerdings aus der allgemeinen Homepage des FA ergibt; die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautete: "Gegen die Anordnung des Steuerabzugs ist der Einspruch gegeben. ... Der Einspruch ist bei dem … bezeichneten FA schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Auch der Steuerschuldner kann Einspruch einlegen. Die Frist für die Einlegung beträgt ..."
Am 13.4.2012 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Anordnung des Steuerabzugs ein und begehrte zugleich deren AdV. Die Rechtsbehelfsbelehrung für den Einspruch sei fehlerhaft, weil sie nicht auf die Möglichkeit der "elektronischen" Einlegung hinweise. Letzteres blieb erfolglos (FG Münster, Beschluss vom 6.7.2012, 11 V 1706/12 E, Haufe-Index 3262807, EFG 2012, 1811).
Entscheidung
Auch der BFH sah die Rechtsbehelfsbelehrung als ordnungsgemäß an. Mit dem Hinweis auf die nötige "Schriftlichkeit" habe das FA seinen Pflichten zur Belehrung genügt.
Hinweis
1. Die Monatsfrist für die rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs beginnt nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts, und sie beginnt nur dann wie vorgesehen zu laufen, wenn der (oder die) Steuerpflichtige in der gebotenen ordnungsmäßigen Weise über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist, und zwar nach § 356 Abs. 1 AO bei einem schriftlich oder elektronisch ergangenen Verwaltungsakt "in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form". Andernfalls ist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO die Einlegung des Einspruchs noch binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, oder sogar darüber hinaus, wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder wenn schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei.
2. Meistens gibt es an den Rechtsbehelfsbelehrungen nichts zu beanstanden. Im Zuge der fortschreitenden "Computerisierung" unseres Daseins kommt es kaum noch zu "groben Schnitzern" der Ämter; die entsprechenden Textblöcke werden in aller Regel ja fast ausnahmslos richtig "ausgedruckt".
Hin und wieder gibt es aber neue gesetzliche Entwicklungen und daraus erwachsende "Ideen". Eine solche Entwicklung stellt auch § 87a AO dar, welche das Fundament für den sog. elektronischen Rechtsverkehr legt: Einsprüche können nunmehr und unter bestimmten Verifikationsvoraussetzungen auch per E-Mail eingelegt werden.
3. Muss die besagte Rechtsbehelfsbelehrung darauf besonders hinweisen? Das eine oder das andere Gericht (z.B. Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.11.2011, 10 K 275/11, EFG 2012, 292, Rev. X R 2/12), der eine oder der andere Literat (z.B. Böwing-Schmalenbrock, DStR 2012, 444; Große/Bludau, DB 2012, 655) haben solches vertreten. Insbesondere bei versäumter "regulärer" Einspruchsfrist mag man sich dessen gerne erinnern und versuchen, die "Fristrichtigkeit" auf diese Weise wiederherzustellen.
Jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der BFH sich solchem Ansinnen jetzt widersetzt: Einsprüche sind nach § 357 Abs. 1 AO bei der Behörde "schriftlich oder zur Niederschrift" zu erklären. Solange die Rechtsbehelfsbelehrung darauf, also auch auf das Erfordernis der "schriftlichen" Einlegung, hinweist, solange ist "alles gut". Ebenso wenig wie Hinweise auf die Hand- oder Maschinenschriftlichkeit erfolgen müssen, bedarf es eben auch keines besonderen Hinweises auf andere, moderne(re) Formen der Schriftlichkeit, beispielsweise den Weg des "E-Faxes" oder eben auch den E-Mail-Verkehr. Es ist Sache des mündigen, des eigenverantwortlichen Bürgers, sich über solche Möglichkeiten und Entwicklungen "schlau" zu machen. Daran ist er nicht gehindert, das muss ihm die Behörde aber auch nicht mittels besonderer Hinweise abnehmen. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist auch mitnichten geeignet, bei einem "objektiven" Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht; ein derartiger Rückschluss wäre gekünstelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 12.12.2012 – I B 127/12