Prof. Dr. Werner Gleißner
Neben gesetzlichen Anforderungen ist es insbesondere der ökonomische Nutzen, der den Ausbau der Fähigkeiten im Umgang mit Chancen und Gefahren (Risiken) wichtig erscheinen lässt. So resultiert auch aus der veränderten Kreditvergabepraxis von Banken und Sparkassen infolge Basel II und Basel III das Erfordernis, sich konsequenter mit Risiken auseinander zu setzen. Die Wirkung eingetretener Risiken (z. B. des Verlusts eines Großkunden oder des unerwarteten Anstiegs von Materialkosten) zeigt sich nämlich im Jahresabschluss und den daraus abgeleiteten Finanzkennzahlen (z. B. Eigenkapitalquote oder Gesamtkapitalrendite). Da diese Finanzkennzahlen im Rahmen der üblichen Ratingverfahren den eingeräumten Kreditrahmen und die Zinskondition bestimmen, haben Risiken somit erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung eines Unternehmens. So kann durch eine zufällige Kombination mehrerer Risiken recht schnell eine Situation eintreten, in der die Finanzierung eines Unternehmens aufgrund eines unbefriedigenden Ratings nicht mehr sichergestellt ist, obwohl das Unternehmen an sich gute langfristige Zukunftsperspektiven aufweist. Dieses Problem ist insbesondere bei Unternehmen zu befürchten, die ein niedriges Risikodeckungspotenzial (speziell Eigenkapital) aufweisen – unabhängig von möglicherweise sonst hervorragenden Erfolgspotenzialen. Insgesamt erfordern die aktuellen Entwicklungen eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Risikomanagement. Dabei müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um bestandsgefährdenden Risiken adäquat zu begegnen und bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen (z. B. Investitionen) die dort erwarteten Erträge und die damit verbundenen Risiken gegeneinander abwägen zu können.
Ein derartiges Risikomanagement sollte in die Arbeitsprozess- und Organisationsstruktur eines Unternehmens integriert sein, was zur Etablierung eines "Risikomanagementsystems" führt.
Risikomanagement ist dabei weit mehr als das (selbstverständliche) Einhalten gesetzlicher Vorschriften (z. B. im Arbeits- und Umweltrecht), das Abschließen von Versicherungen und das Erstellen von Notfallplänen. Risikomanagement ist ein umfassender Prozess der Identifikation, Bewertung, Aggregation, Überwachung und gezielten Steuerung aller Risiken, die Abweichungen von den gesetzten Zielen auslösen können.