Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
5.1 Sachverhalt
Fahrradhändler F hat sich ein besonderes Geschäftsmodell ausgedacht: Um Kunden langfristig an sich zu binden, bietet er ihnen beim Kauf von Kinderfahrrädern an, diese – soweit sie noch funktionsfähig sind – zu 40 % des ursprünglichen Kaufpreises wieder zurückzunehmen, wenn gleichzeitig ein größeres Fahrrad bei ihm erworben wird.
Kunde K hatte im Frühjahr 2022 ein Kinderfahrrad "Puki" für 299 EUR erworben und dieses im September 2023 gegen ein größeres Kinderfahrrad eingetauscht. Auf den Kaufpreis des neuen Fahrrads von 399 EUR wurden ihm vereinbarungsgemäß (gerundet) 120 EUR angerechnet, sodass K nur noch 279 EUR bezahlen musste.
5.2 Fragestellung
F bittet um Auskunft, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus seinem Geschäftsmodell ergeben.
5.3 Lösung
F ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Lieferung des Fahrrads "Puki" im Frühjahr 2022 war eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Lieferung, die auch keiner Steuerbefreiung unterlag. Da K insgesamt 299 EUR aufwandte, war aus diesem Betrag die USt mit 19 % herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG betrug damit (299 EUR : 1,19 =) 251,26 EUR und die Umsatzsteuer (251,26 EUR × 19 % =) 47,74 EUR. Die Umsatzsteuer entstand mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung im Frühjahr 2022. Steuerschuldner war F.
Die Rückgabe des alten Fahrrads stellt weder eine Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung noch eine Rückgabe dar. Da keine Gründe für eine Rückabwicklung der damaligen Lieferung vorliegen, handelt es sich um eine Rücklieferung, die aufgrund eines neuen Verpflichtungsgeschäfts stattfindet. K liefert – nichtsteuerbar, da er nicht als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens handelt – an F das alte Fahrrad, da er ihm die Verfügungsmacht an dem Fahrrad verschafft. Da damit das Entgelt für eine Lieferung des F in einer Lieferung eines anderen Gegenstands besteht, liegt ein Tausch mit Baraufgabe vor.
Grundsatzentscheidung des BFH zur Rückgabe von Umzugskartons
Der BFH hatte sich grundsätzlich mit der Abgrenzung von Rückgabe und Rücklieferung auseinandergesetzt. So hat er die Rücknahme von gebrauchten, aber noch verwendungsfähigen Umzugskartons durch ein Umzugsunternehmen nicht als eine Minderung der Bemessungsgrundlage, sondern als eine eigenständige Rücklieferung angesehen.
Der Verkauf des neuen Fahrrads im September 2023 ist wiederum eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung, für die F USt schuldet. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich bei einem Tausch mit Baraufgabe nach § 10 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 UStG nach dem Wert, den der F dem von ihm erworbenen Gegenstand zumisst und was er damit für diesen Gegenstand aufzuwenden bereit ist (hier offensichtlich 120 EUR). Dazu kommt noch die vom Kunden für die Lieferung des neuen Fahrrads aufgewendete Baraufgabe von 279 EUR. Damit hat K für die Lieferung des neuen Fahrrads insgesamt 399 EUR aufgewendet (279 EUR Baraufgabe sowie Wert des in Zahlung gegebenen alten Fahrrads von 120 EUR).
Die Bemessungsgrundlage beträgt damit im September 2023 bei einem Regelsteuersatz von 19 % (399 EUR : 1,19 =) 335,29 EUR und die Umsatzsteuer ist mit 19 % i. H. v. (335,29 EUR × 19 % =) 63,71 EUR entstanden. Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung für den VAZ September 2023. Steuerschuldner ist F.
Verkauf des gebrauchten Fahrrads im Rahmen der Differenzbesteuerung
Da F als "Wiederverkäufer" mit Fahrrädern handelt und er das gebrauchte Fahrrad von einem Nichtunternehmer erworben hat, unterliegt der Verkauf des gebrauchten Fahrrads der Differenzbesteuerung. USt entsteht bei einem Verkauf des gebrauchten Fahrrads nur aus der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis. Ggf. kann hier auch die sog. Gesamtmargenbildung angewendet werden, da der Ankaufspreis nicht mehr als 500 EUR betragen hat.