Ob eine Inanspruchnahme aus der ungewissen Verbindlichkeit zu erwarten ist, richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung – oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang aufzustellen gewesen wäre – maßgebenden Verhältnisse.

5.1 Werterhellende und wertbegründende Ereignisse und ihre Auswirkungen

Ein Ereignis, das vor dem Bilanzstichtag eingetreten ist und Auswirkungen auf die Bewertung von Rückstellungen hat, dem Unternehmer aber erst nach dem Bilanzstichtag – jedoch vor Aufstellung der Bilanz – bekannt wird, ist ein sog. wertaufhellendes Ereignis. Das wertaufhellende Ereignis hat in der Bilanz Berücksichtigung zu finden.

Davon abzugrenzen ist das sog. wertbegründende Ereignis, welches zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Aufstellung der Bilanz eintritt. Dieses Ereignis darf im Rahmen der stichtagsbezogenen Betrachtungsweise nicht mehr in der aufzustellenden Bilanz berücksichtigt werden.

5.2 Inanspruchnahme aus hinterzogenen Steuern

Diese allgemein für die Bildung von Rückstellungen geltenden Grundsätze des Handels- und Steuerbilanzrechts werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen aus von ihm hinterzogenen Steuern angewendet. Folglich darf für Bilanzstichtage, die – vorbehaltlich einer etwaigen Wertaufhellung bis zur Bilanzaufstellung – vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Aufdeckung der Tat unmittelbar bevorsteht, keine Rückstellung gebildet werden.

Für die Rückstellungsbildung reicht es weder aus, dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat, noch dass nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an Außen- und Fahndungsprüfungen häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist. Eine Rückstellung ist vielmehr erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss, also frühestens dann, wenn der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat, was in der Rechtsprechung mit dem Begriff der "aufdeckungsorientierten Maßnahme" bezeichnet wird.[1]

[1] BFH, Urteil v. 27.11.2001, VIII R 36/00; vgl. auch FG Bremen, Urteil v. 30.8.2007, 1 K 11/07 (6).

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