Dieser Meinungsstreit zwischen BFH und Finanzverwaltung entzündete sich in einem Rechtsfall, der in folgendem Beispiel kurz dargestellt ist.
Nachbetreuung eines Hörgeräteakustikers
Der Hörgeräteakustiker H liefert Mitgliedern bestimmter Krankenkassen Hörgeräte und rechnet direkt mit den Krankenkassen ab, sodass Rechtsbeziehungen nur zwischen ihm und den Krankenkassen bestehen. Nach einem Rahmenvertrag mit den Krankenkassen ist er verpflichtet, für einen Zeitraum von 6 Jahren die verkauften Hörgeräte anzupassen, bei Fehlbedienung neu einzustellen, turnusmäßig zu überprüfen und die Patienten in den Gebrauch der Geräte einzuweisen, nach Reparaturen neu einzuweisen und während des Gebrauchs fachlich zu beraten. Diese Nachbetreuungsleistungen sind während der 6-jährigen Nachbetreuungsfrist 4-mal im Jahr zu erbringen. Sie werden von den Krankenkassen nicht besonders vergütet, sondern sind mit dem Kaufpreis der Geräte abgegolten. Reparaturen werden von den Krankenkassen zusätzlich je nach Anfall vergütet.
Hier entstand bereits mit Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Krankenkasse und H die Verpflichtung zur Nachbetreuung der betreffenden Geräte. Nach Auffassung des BFH musste daher als Voraussetzung für die Bilanzierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeit nicht zusätzlich eine wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag hinzukommen.
In einem früheren Urteilsfall hatte der BFH das bereits unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausdrücklich betont.
Nur wenn es sich um eine dem Grunde nach künftige Verbindlichkeit handele, sei weitere Voraussetzung für die Bilanzierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, dass die Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden ist. Rechtliches Entstehen und wirtschaftliche Verursachung lägen dann in 2 verschiedenen Perioden. Es komme in diesem Fall für die Bilanzierung einer Rückstellung auf das frühere Ereignis an. Sei aber eine Verbindlichkeit bereits rechtlich entstanden, umfasse das zugleich ihre wirtschaftliche Verursachung.
Allerdings war zwischenzeitlich fraglich, ob nicht doch als weitere Voraussetzung eine wirtschaftliche Verursachung vorliegen müsse.
In seinem Urteil vom 17.10.2013 hat sich der IV. Senat allerdings der Auffassung des I. Senats laut Urteil vom 27.6.2001 angeschlossen. Somit ist bei Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung am Bilanzstichtag keine wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag erforderlich.
Besteht allerdings am Bilanzstichtag keine rechtliche Verpflichtung, setzt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten das Vorliegen einer wirtschaftlichen Verursachung voraus.