Landesamt für Steuern Niedersachsen, Verfuegung v. 26.09.2023, S 2137 - St 221/St 224a-2815/2023

 

BFH-Urteil vom 6. Februar 2013, I R 62/11, BStBl II 2013 S. 954

Der BFH hat mit o. b. Urteil vom 6. Februar 2013 , a. a. O., entschieden, dass für Kostenüberdeckungen, die in einer Kalkulationsperiode entstanden sind und die in der folgenden Kalkulationsperiode durch entsprechend geminderte Entgelte auszugleichen sind, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden sind.

Das entgegenstehende BMF-Schreiben vom 28. November 2011, BStBl I 2011 S. 1111, wurde mit BMF-Schreiben vom 22. November 2013, BStBI I 2013 S. 1502, aufgehoben.

Somit stellt sich die Rechtslage in den verschiedenen Zeitrahmen wie folgt dar:

 

II. Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen in der Energiewirtschaft

Die Frage der Bildung von Rückstellungen für Risiken aus „Mehrerlösabschöpfung“ betrifft die Betreiber von Strom- und Gasnetzen in Bezug auf die zulässige Höhe der in Ansatz gebrachten Netzentgelte für den Zeitraum zwischen der erstmaligen Antragstellung und der Genehmigung durch die zuständigen Regulierungsbehörden. Es wurden durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Verbindung mit der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEZ) und der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEZ) die Kalkulationsgrundlagen für die Netzentgelte bindend festgelegt. Die Betreiber von Strom- bzw. Gasnetzen waren erstmals zum 1. November 2005 bzw. 1. Februar 2006 verpflichtet, einen Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte zu stellen.

Strittig zwischen Netzbetreiber und Regulierungsbehörde war bezogen auf den Zeitraum zwischen Antragstellung und erstmaliger Genehmigung die Frage, ob und in welcher Form eine Rückerstattungspflicht bestand, wenn das im Antrag zugrunde gelegte und zunächst vereinnahmte Netzentgelt das später genehmigte Netzentgelt überstieg und sich insoweit ein Mehrerlös ergab.

 

II.1. Ausgleich von aufgrund § 23a Abs. 5 S. 1 EnWG erzielten Mehrerlösen

Nach dem Beschluss des BGH vom 14. August 2008, KVR 39/07, juris, sind Mehrerlöse, die ein Netzbetreiber dadurch erzielt hat, dass er in dem Zeitraum vom erstmaligen Genehmigungsantrag bis zur Genehmigung der Netznutzungsentgelte seine ursprünglichen Entgelte beibehalten hat, periodenübergreifend auszugleichen. Für diese Ausgleichsverpflichtung ist eine Rückstellung bereits vor Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids zu bilden, weil sich die Verrechnungsverpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher der Erlass einer behördlichen Verpflichtung in konstitutiver Weise nicht vorausgesetzt wird.

Die Auflösung der Rückstellung erfolgt insoweit, als die Mehrerlöse in der nächsten Genehmigungsperiode entgeltmindernd zum Ansatz gebracht worden sind.

 

II.2. Periodenübergreifende Saldierung nach § 11 StromNEZ bzw. § 10 GasNEZ bis zum 31. Dezember 2008

Die Netzentgeltverordnungen regelten bis zum 31. Dezember 2008 die kostenorientierte Kalkulation der Netzentgelte. Bei den kalkulierten (und genehmigten) Entgelten konnte es zu Kostenüberdeckungen kommen, wenn in der jeweiligen Kalkulationsperiode - dem Geschäftsjahr des Netzbetreibers - tatsächlich größere Strom- und Gasmengen durch das Netz geleitet wurden, als der Kalkulation zugrunde gelegen haben (sog. Mengeneffekt). In diesem Falle hatte der Netzbetreiber den Beitrag der Kostenüberdeckung zuzüglich einer Verzinsung über die drei folgenden Kalkulationsperioden kostenmindernd bei der Beantragung der Netzentgelte in Ansatz zu bringen.

Soweit sich aufgrund einer Kostenüberdeckung eine Verpflichtung zur Minderung der zukünftigen Entgelte nach § 11 StromNEV bzw. § 10 GasNEV ergeben hat, kann nach dem o. b. BFH-Urteil vom 6. Februar 2013, a. a. O., eine Rückstellung berücksichtigt werden. Die Auflösung der Rückstellung hat entsprechend der Minderung der Erlösobergrenzen im Sinne der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zu erfolgen.

 

II.3. Periodenübergreifende Saldierung nach § 5 ARegV ab 1. Januar 2009

Für die Verpflichtung zum Ausgleich eines Mehrerlöses, der nach § 5 Abs. 1 ARegV jährlich auf ein Regulierungskonto zu buchen ist, ist in der Bilanz des Wirtschaftsjahres, für das der Mehrerlös auf das Regulierungskonto gebucht wird, eine Rückstellung zu bilden. Denn bereits am Ende eines Kalenderjahres steht fest, ob ein Mehrerlös entstanden ist, weshalb auch zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Ausgleichsverpflichtung entsteht.

Das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 28. Mai 2014, Az.: 1 K 754/13, juris, findet nach der Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene insoweit keine Anwendung.

 

II.4. Abzinsung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG

Sowohl bei dem periodenübergreifenden Mehrerlösausgleich als auch bei den periodenübergreifenden Saldierungen nach § 11 StromNEZ, § 10 GasNEZ und nach § 5 ARegV werden die auszugleichenden Überdeckungen verzinst. Die Verzinsung erfolgt entweder nach § 5 Abs. 4 S. 3 ARegV i. V. m. § 11 StromNEZ oder § 10 GasNEZ. Hinsichtlich der Verzinsung der Mehrerlösabschöpfung gelten - der Vorgabe des BGH folgend - die letztgenannten...

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