Leitsatz
Bilanzierende Ärzte können Rückstellungen für Regressforderungen der Krankenkassen wegen einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise erst dann bilden, wenn von Prüfgremien ein Regressbescheid erlassen wurde. Weder die Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung über die Abweichung der Verordnungsweise von den Durchschnittswerten oder die Überschreitung von Richtgrößen noch die Einleitung eines Prüfungsverfahrens sind hierfür ein ausreichender Grund.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GbR, die von zwei Ärzten zum gemeinschaftlichen Betrieb einer neurologischen Praxis gegründet wurde. Maßgebliche Richtgrößen für die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln wurden durch die Gemeinschaftspraxis in mehreren Quartalen erheblich überschritten. Dies beanstandete die zuständige Kassenärztliche Vereinigung und leitete nach dem Bilanzstichtag ein Überprüfungsverfahren ein. Daraufhin wurden in der Bilanz der GbR für die befürchtete Festsetzung von Regressforderungen Rückstellungen gebildet. Die Finanzverwaltung erkannte die Rückstellung nicht an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren versuchte die Klägerin ihr Begehren im Klageweg zu erlangen.
Entscheidung
Das Gericht folgte der Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage als unbegründet ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dürfen Rückstellungen für ungewisse Verpflichtungen aus öffentlichem Recht nur dann gebildet werden, wenn sie am Bilanzstichtag hinreichend inhaltlich und zeitlich konkretisiert sind. Nach Ansicht des Gerichts kann eine Konkretisierung unmittelbar durch gesetzliche Vorschriften erfolgen, oder eine behördliche Entscheidung erfordern. Im Fall einer Regressforderung sei Voraussetzung für eine Rückstellungsbildung ein von einem Prüfgremium erlassener Regressbescheid, da auch die Einleitung eines Prüfverfahrens nicht zwingend die Festsetzung eines Regresses zur Folge hat. Das Gericht wies abschließend darauf hin, dass selbst wenn eine Verfahrenseinleitung geeignet wäre, eine Rückstellungsbildung zu rechtfertigen, im entschiedenen Streitfall eine Passivierung unzulässig sei, da die Verfahrenseinleitung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt ist. Die Verfahrenseinleitung sei aber nicht als wertaufhellende, sondern als neue Tatsache einzustufen.
Hinweis
Gegen das Urteil wurde Revision zugelassen. Die Bedeutung des Urteils reicht weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus, da das Gericht eine Rückstellungsbildung erst dann zulassen will, wenn der Anspruch rechtlich entstanden ist und der Höhe nach feststeht. Da in diesem Fall allerdings von einer Verbindlichkeit auszugehen ist, scheint das Gericht die Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung einer Verpflichtung zu hoch anzusetzen.
Link zur Entscheidung
FG Bremen, Urteil vom 08.02.2012, 1 K 32/10 (5)