4.2.1 Verbindlichkeitsrückstellungen
Eine wesentliche Rückstellungskategorie sind die Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (bzw. Verbindlichkeitsrückstellungen), die ihre Ursache im Vorsichtsprinzip haben. Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, wodurch Vergangenes abgegolten wird. Dementsprechend ist eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden, wenn
- es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt,
- die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist,
- mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist und
- die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für einen Vermögensgegenstand führen.
Die Verpflichtung muss den Verpflichteten wirtschaftlich wesentlich belasten. Die Frage, ob eine Verpflichtung den Unternehmer wesentlich belastet, ist nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu beurteilen.
4.2.2 Rückstellungen für drohende Verluste
Schwebende Geschäfte wirken sich auf die Buchführung normalerweise erst aus, wenn der Schwebezustand beendet wird, weil die Leistung teilweise oder ganz erbracht wird. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte liegt jedoch dann vor, wenn einem bilanzierenden Kaufmann am Bilanzstichtag aus einem schwebenden Geschäft (mit einem Dritten) ein Verlust droht. D. h., aus seiner Sicht übersteigt der Wert seiner Verpflichtung den Wert der Gegenleistung (Verpflichtungsüberschuss).
Für den entstehenden Verpflichtungsüberschuss aus einem schwebenden Geschäft ist gemäß § 249 Abs. 1 HGB eine Rückstellung für drohende Verluste zu bilden (Passivierungspflicht). Die Verpflichtung muss sich also aus einem Geschäft ergeben,
- das der Unternehmer mit einem oder mehreren Vertragspartnern abgeschlossen hat und
- bei dem er verpflichtet ist, den Vertrag vereinbarungsgemäß zu erfüllen, sodass
- er sich dem Verlust nicht entziehen kann.
Dabei können sich drohende Verluste sowohl aus einem schwebenden Vertrag zur Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ergeben (sog. Beschaffungsgeschäfte) als auch aus Geschäften zur Veräußerung von Gütern und Dienstleistungen (sog. Absatzgeschäfte).