Leitsatz
Die in § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (WElektroMobFördG) angeordnete rückwirkende Geltung des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG ab dem Erhebungszeitraum 2009 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG).
Normenkette
§ 7 Satz 3, § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG, § 7, § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG, § 5a Abs. 4 Satz 3 EstG, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Der Kläger klagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH & Co. KG (KG). Diese betrieb ein Handelsschiff im internationalen Verkehr und hatte mit Wirkung zum 1.1.2005 zur Gewinnermittlung nach der Tonnage nach § 5a Abs. 1 EStG optiert. Das FA hatte deshalb nach § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG den Unterschiedsbetrag auf den 31.12.2004 festgestellt. Im Streitjahr 2015 veräußerte der Kläger das Schiff. Im Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr rechnete das FA daher dem Gewinn einen Unterschiedsbetrag hinzu, wobei es den Gewerbeertrag nicht nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG um 80 % kürzte. Das FG (FG Hamburg, Urteil vom 29.8.2023, 3 K 181/20, Haufe-Index 16044482) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers blieb aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen erfolglos. § 7 Satz 3 GewStG, der auch im Streitjahr 2015 anzuwenden ist, normiert einen fiktiven Gewerbeertrag, der weder um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG vermehrt noch um Kürzungen nach § 9 GewStG (hier: § 9 Nr. 3 GewStG) vermindert werden darf.
Hinweis
1. Gemäß § 7 Satz 3 GewStG n.F. gelten der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und Abs. 4a EStG und das nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG ermittelte Einkommen als Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG. Damit normiert § 7 Satz 3 GewStG n.F. einen fiktiven Gewerbeertrag, der weder um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG vermehrt noch um Kürzungen nach § 9 GewStG vermindert werden darf.
2. Der Anwendungsbereich von § 7 Satz 3 GewStG n.F. ist nicht nur dann eröffnet, wenn der Gewinn in dem maßgeblichen Erhebungszeitraum pauschal nach § 5a EStG ermittelt wird, sondern auch dann, wenn er wieder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, aber gleichwohl Unterschiedsbeträge nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzuzurechnen sind.
3. Die in § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG n.F.angeordnete rückwirkende Geltung des § 7 Satz 3 GewStG n.F. ab dem Erhebungszeitraum 2009 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
a) Die Regelung ist zwar sowohl in formaler als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als Anwendungsfall einer echten Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen anzusehen, da § 7 Satz 3 GewStG n.F. danach erstmals für den Erhebungszeitraum 2009 und damit auch für solche Zeiträume gilt, die im Zeitpunkt der Gesetzesverkündung am 17.12.2019 bereits abgeschlossen waren (formale Hinsicht), und die alte Rechtslage durch § 7 Satz 3 GewStG n.F.konstitutiv geändert wurde (materiell-rechtliche Hinsicht).
b) Die echte Rückwirkung ist aber gerechtfertigt, da der Gesetzgeber mit § 36 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7 Satz 3 GewStG n.F. verfassungsrechtlich zulässig wieder eine belastende Rechtslage festgeschrieben hat, die vor einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung (durch BFH, Urteil vom 25.10.2018, IV R 35/16, BFH/NV 2019, 334; BFH, Urteil vom 25.10.2018, IV R 40/16, BFH/NV 2019, 291; und BFH, Urteil vom 25.10.2018, IV R 41/16, BFH/NV 2019, 268) und damit auch im Streitjahr der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Meinung der Finanzverwaltung entsprochen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.8.2024 – IV R 22/23