Leitsatz
Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers i.S.d. § 40b EStG bleiben auch dann nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei, wenn sie 50 DM je Arbeitnehmer im Kalendermonat nicht überschreiten und der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist.
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG , § 40a EStG , § 40b EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Großhandelsfirma, hatte den Arbeitslohn der Arbeitnehmerin P i.H.v. 590 DM monatlich nach § 40a EStG pauschal versteuert. Daneben zahlte die Klägerin als Versicherungsnehmerin monatliche Beiträge i.H.v. 50 DM auf eine zugunsten der P abgeschlossene Lebensversicherung (Direktversicherung); insoweit erfolgte eine LSt-Pauschalierung nach § 40b EStG. Das FA unterwarf in einem Haftungsbescheid den bisher pauschalierten Lohn dem normalen LSt-Abzug, da nach seiner Ansicht die Lohngrenze des § 40a Abs. 2 EStG überschritten war.
Die Klägerin vertrat daraufhin die Ansicht, die Zahlung des Betrags von 50 DM sei nicht als Barlohn zu erfassen, sondern als Sachlohn (Verschaffung von Versicherungsschutz). Dieser Sachbezug sei nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei. Die Lohngrenze des § 40a Abs. 2 EStG sei nicht überschritten. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG sei auf pauschalierungsfähige Zukunftssicherungsleistungen nicht anzuwenden. Der an P gezahlte Arbeitslohn habe die Lohngrenze des § 40a Abs. 2 EStG überschritten.
Hinweis
Der BFH äußert sich im Streitfall zu mehreren lohnsteuerrechtlichen Problemfeldern:
1. Zum Arbeitslohn gehören auch Ausgaben des Arbeitgebers für Zukunftssicherungsleistungen zugunsten des Arbeitnehmers (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV). Werden solche Leistungen vom Arbeitgeber erbracht, so sind bei der Prüfung, ob die Pauschalierungsgrenze des § 40a Abs. 2 Satz 2 EStG (Pauschalierung der LSt für Teilzeitbeschäftigte) überschritten ist, auch diese Teile des Arbeitslohns zu berücksichtigen und miteinzubeziehen (vgl. BFH, Urteil vom 13.1.1989, VI R 66/87, BStBl II 1989, 1030).
2. Grundsätzlich bindet ein nach § 40b EStG (Pauschalierung der LSt für bestimmte Zukunftssicherungsleistungen) gestellter Pauschalierungsantrag. An eine solche Pauschalierung ist der Arbeitgeber jedoch (ausnahmsweise) nicht gebunden, wenn gar kein LSt-Abzug vorzunehmen ist.
3. Nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG bleiben Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten sind, außer Ansatz, "wenn die .... Vorteile insgesamt 50 DM (ab 2002: 50 Euro) im Kalendermonat nicht übersteigen". Geldzuwendungen fallen also nicht unter die Regelung. Die durch das JStG 1996 eingefügte Freigrenze dient der Steuervereinfachung, und zwar in Fällen, in denen die Regelung über den Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 EStG) auf Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer keine Anwendung findet.
Die Freigrenze betrifft Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer außerhalb seines eigenen Produkt- und Dienstleistungsbereichs sowie durch das Arbeitsverhältnis veranlasste Zuwendungen an den Arbeitnehmer durch Dritte. Sachbezüge, die unter Abs. 2 Satz 9 fallen können, sind z.B.: Mietnachlässe, Kreditkarten, Warengutscheine (soweit nicht als Barlohn zu erfassen), privates Telefonieren vom Apparat des Arbeitgebers – vgl. insoweit nunmehr § 3 Nr. 45 EStG). Nach dem gesetzgeberischen Anliegen sollten mit der Freigrenze kleinliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und der Finanzverwaltung vermieden und geringe geldwerte Vorteile aus der lohnsteuerlichen Erfassung herausgehalten werden.
4. Der BFH hatte bereits in seinem Urteil vom 26.11.2002, VI R 161/01, BFH-PR 2003, 177 entschieden, dass Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers nicht unter die Sachbezugsfreigrenze fallen, wenn der Arbeitgeber eine vom Arbeitnehmer abgeschlossene Versicherung finanziert. Denn dann wendet er Barlohn zu und nicht Sachlohn; der Arbeitgeber finanziert ein Geschäft des Arbeitnehmers. Sachlohn mag indessen vorliegen, wenn der Arbeitgeber selbst Versicherungsnehmer und der Arbeitnehmer nur Begünstigter des Versicherungsvertrags ist (Vertrag zugunsten eines Dritten) und Versicherungsschutz verschafft wird.
5. Gleichwohl hat der BFH die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG – entgegen seinem Wortlaut – auch auf diesen Fall nicht angewendet; der Wortlaut von Satz 9 sei versehentlich zu weit gefasst.
Der BFH hat detailliert herausgearbeitet, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht zugleich (geringe) pauschalierungsfähige Zukunftssicherungsleistungen habe steuerfrei stellen wollen. Für solche Leistungen bestehe in § 40b EStG eine Sonderregelung. Eine wortgetreue Auslegung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG würde seinen eigentlichen Anwendungsbereich (vgl. auch BFH, Urteil vom 26.11.2002, VI R 161/01, BFH-PR 2003, 177) in hohem Maß entwerten. Sobald der Arbeitgeber neben sonstigen Sachleistungen auch Beiträge zur Zukunftssicherung des Arbeitnehmers leiste, müssten diese in die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG einbezogen ...