Dipl.-Finw. (FH) Holm Geiermann
Leitsatz
Die uneingeschränkte Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs bei einem nicht ganzjährig sozialversicherungspflichtigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Die Kürzung ist daher im Wege des Festsetzungserlasses nach § 163 AO zu korrigieren.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr 2001 als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nichtselbständig tätig. Nach der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Betriebskrankenkasse führte diese Tätigkeit ab dem 24.1.2001 zu einem nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH. Von der GmbH wurden deshalb auch nur für den Monat Januar Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger abgeführt. Der Kläger hat im Übrigen auch keinen Anspruch auf eine Altersversorgung durch seinen Arbeitgeber ohne eigene Beitragsleistung erworben.
Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung und des sich anschließenden Einspruchsverfahrens beantragte der Kläger, der Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs nur den Arbeitslohn zu Grunde zu legen, für den tatsächlich auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Das Finanzamt wies den Einspruch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zurück. Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück. Parallel zum Einspruchsverfahren beantragte der Kläger aber die Einkommensteuer im Wege des Festsetzungserlasses nach § 163 AO aus Billigkeitsgründen in dem von ihm begehrten Sinne festzusetzen. Zur Begründung wies er auf das Urteil des BFH vom 16.10.2002 (XI R 75/00, BStBl 2003 II S. 288) hin, wonach die Besonderheiten bei einer nicht ganzjährigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit im Einzelfall im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO Berücksichtigung finden können. Das Finanzamt gab dem Antrag nicht statt. Der hierauf eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach der Auffassung des Gerichts war die Ablehnung des Antrags ermessensfehlerhaft.
Ein Erlass aus Billigkeitsgründen kommt immer dann in Betracht, wenn die Besteuerung des Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Steuertatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist. Das Gericht gelangte im Streitfall zu der Überzeugung, dass die unbeschränkte Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht entspricht. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt zwar die uneingeschränkte Kürzung des Vorwegabzugs nicht voraus, dass der Arbeitgeber während des gesamten Veranlagungszeitraums Zukunftssicherungsleistungen erbracht hat. Der Gesetzgeber ging hierbei aber davon aus, dass durch die mit dieser pauschalen Kürzung verbundene Vereinfachung keine Benachteiligung von Steuerpflichtigen erfolgt. Er unterstellte dabei, dass bei Nichtzahlung von Zukunftssicherungsleistungen i. S. d. § 3 Nr. 62 EStG oder bei nur geringen Arbeitslöhnen infolge kurzfristiger Beschäftigung die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs ohnehin niedriger ist. Nach der Auffassung des Gerichts hatte der Gesetzgeber bei dieser pauschalierten Regelung aber nicht die Fallgestaltung des Streitfalls im Auge, bei der der Steuerpflichtige zwar Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat, aber nur geringe Zukunftssicherungsleistungen i. S. d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht wurden. In einem solchen Fall fällt nämlich die Kürzung des Vorwegabzugs nicht wie vom Gesetzgeber erwartet niedriger aus, sondern wegen der Höhe der Bezüge erfolgt die volle Kürzung des Vorwegabzugs. Das Gericht ging daher davon aus, dass es im Streitfall der sachlichen Billigkeit entspricht, die Kürzung des Vorwegabzugs lediglich von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vorzunehmen, von denen auch Sozialversicherungsbeiträge einbehalten wurden.
Hinweis
In einschlägigen Fällen sollte bereits bei Abgabe der Einkommensteuererklärung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des FG und des BFH (BFH, Urteil v. 16.10.2002, XI R 75/00, BStBl 2003 II S. 288) ein Antrag auf Festsetzungserlass nach § 163 AO gestellt werden. Im Übrigen dürfte das Urteil ab dem Veranlagungszeitraum 2005 unter Geltung des neuen Alterseinkünftegesetzes zunehmend an praktischer Bedeutung verlieren. Nach der neuen gesetzlichen Regelung findet nämlich die bisherige Sonderausgaben-Höchstbetragsberechnung mit der für den Urteilsfall beschriebenen Kürzung des Vorwegabzugs nur noch dann Anwendung, wenn sie günstiger ist als die durch das Alterseinkünftegesetz vorgesehene Neuregelung zur Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen. Da der Vorwegabzug ab dem Veranlagungszeitraum 2005 während einer Übergangszeit bis zum Jahre 2014 abgeschmolzen wird, kann davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahren die bisherige Sonderausgaben-Höchstbetragsberechnung immer seltener Anwendung finden dürfte. Im Übrigen stellt sich bei der gesetzlichen Neuregelung zur Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen das für den Streitfall geschilderte Problem nicht mehr, weil die Zukunftssicherungsbeiträge des Arbeitgebers einerseits de...