Leitsatz
Voraussetzung für einen Verlustabzug bei einer Körperschaft ist nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Eine wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Bei einer Zeitspanne von rund 4 Jahren fehlt es aber am notwendigen zeitlichen Zusammenhang, so dass die Verlustabzugsbeschränkung des § 8 Abs. 4 KStG nicht eingreift.
Sachverhalt
Die Gesellschafter einer GmbH waren A mit 20.000 DM, B mit 10.000 DM und C mit 20.000 DM Geschäftsanteilen. A und B veräußerten am 2.6.1994 ihre Geschäftsanteile. Im Mai 1998 wurden dem Aktivvermögen Wirtschaftsgüter im Wert von ca. 200.000 DM zugeführt. Das Finanzamt versagte der GmbH die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustabzugs, da durch die Zuführung des Aktivvermögens im Mai 1998 die wirtschaftliche Identität nicht mehr vorgelegen habe. Nach erfolglosem Einspruch hat die GmbH hiergegen Klage erhoben.
Entscheidung
Die Klage war erfolgreich, denn die GmbH hat durch die im Jahre 1998 erfolgte Anschaffung der Wirtschaftsgüter ihre wirtschaftliche Identität nicht verloren. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG dem Wortlaut nach vor, da mehr als 50 % der Anteile veräußert und der Geschäftsbetrieb mit dem in 1998 angeschafften überwiegend neuen Betriebsvermögen fortgeführt worden ist. Die Auslegung des Gesetzes nach dem Sinn und Zweck führt aber dazu, dass eine Körperschaft nicht deswegen ihre wirtschaftliche Identität verliert, weil nach der Anteilsveräußerung irgendwann und ohne engen Zusammenhang eine Veränderung im Betriebsvermögen eintritt. Zu fordern ist vielmehr, dass zwischen der Übertragung der Geschäftsanteile und der Fortführung des Betriebes mit überwiegend neuem Betriebsvermögen ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Vor allem der Zeitraum von fast 4 Jahren zwischen der Anteilsveräußerung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens spricht gegen die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG.
Hinweis
Es kann davon ausgegangen werden, dass der BFH im Revisionsverfahren (Az. I R 68/05) der Entscheidung des FG folgt. Denn bereits in seinem Beschluss v. 15.12.2004, I B 115/04, hatte der BFH ausgeführt, dass bei einem Zeitraum von ca. 3,5 Jahren zwischen der Übertragung der Geschäftsanteile einerseits und der Fortführung des Betriebes mit verändertem Betriebsvermögen andererseits Zweifel an einem zeitlichen Zusammenhang bestehen.
Unabhängig davon sollten vergleichbare Fälle angesichts der möglichen Mängel des Gesetzgebungsverfahrens und anderer verfassungsrechtlichen Zweifel zur aktuellen Fassung des § 8 Abs. 4 KStG mit Einspruch offen gehalten werden.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 10.06.2005, 1 K 223/02