Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung aus einem österreichischen Straferkenntnis durch sächsische Finanzbehörden nach dem deutsch-österreichischen Amtshilfeabkommen. Eröffnung des Finanzrechtswegs
Leitsatz (redaktionell)
1. In den Fällen des deutsch-österreichischen Amtshilfeabkommens richtet sich die Vollstreckung in Sachsen nach den Vorschriften der AO. Gegen insoweit von den Landesfinanzbehörden durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen ist der Finanzrechtsweg eröffnet.
2. Ein Straferkenntnis einer österreichischen Bezirkshauptmannschaft ist einem deutschen Bußgeldbescheid vergleichbar.
3. Vollstreckungsvoraussetzung ist nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 des deutsch-österreichischen Amtshilfeabkommens, dass dem Ersuchen eine Ausfertigung des Vollstreckungs- bzw. Exekutionstitels oder des zu vollstreckenden Bescheids beigelegt ist, auf dem die Unanfechtbarkeit/Rechtskraft von der ersuchenden Stelle bestätigt ist.
4. Eine dem Vollstreckungsersuchen beigefügte und mit einem Rechtskraftvermerk versehene Kopie des Berufungserkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenats, mit dem die Berufung gegen das Straferkenntnis als verspätet zurückgewiesen und keine vom Straferkenntnis abweichende eigenständige Regelung hinsichtlich der Strafen und Kostenbeiträge getroffen wurde, genügt den Vollstreckungsvoraussetzungen nicht.
Normenkette
Amtshilfeabk AUT Art. 9 Abs. 1, 3 S. 1; AO § 257 Abs. 1 Nr. 1, § 251 Abs. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2, § 114; SächsVwVfG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Vollstreckung der Forderung der Bezirkshauptmannschaft X aus dem Straferkenntnis vom 13.11.2008 auf der Grundlage des Vollstreckungshilfeersuchens der Bezirkshauptmannschaft X vom 12.10.2011 einzustellen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 13.11.2008, Geschäftszahl: VA – … – wurden gegen den Antragsteller wegen verschiedener Verwaltungsübertretungen (Übertretungen der StVO und des KFG) Geldstrafen i.H. von insgesamt 1.506 EUR und Kostenbeiträge i.H. von 150,60 EUR festgesetzt (Gesamtbetrag 1.656,60 EUR). Auf das vom Antragsteller vorgelegte Straferkenntnis wird Bezug genommen (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 15.03.2012, Bl. 62 ff. dA). Die hiergegen gerichtete Berufung des Antragstellers wurde mit Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats in T vom 17.03.2010 – uvs –…– als verspätet zurück gewiesen (vgl. Vollstreckungsakte Bl. 12 ff.). Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof der Republik Österreich mit Beschluss vom 29.04.2011 – Zlen … – als unbegründet abgewiesen (vgl. Vollstreckungsakte Bl. 3 ff.). Mit Amtshilfeersuchen vom 12.10.2011 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft X das Finanzamt um Eintreibung der im Bescheid unter der im Betreff angegebenen Geschäftszahl VA –… verhängten Geldleistung von 1.656,60 EUR unter der Angabe, die Geldleistung sei rechtskräftig verhängt und der Bescheid unterliege keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug (Bl. 1 der Nachheftung zur Vollstreckungsakte). Im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsersuchen wurde neben einer Kopie der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29.04.2011 die Kopie einer Ausfertigung des Berufungserkenntnisses übermittelt mit einem darauf aufgebrachten Vermerk der Bezirkshauptmannschaft vom 13.10.2011, wonach der Bescheid rechtskräftig sei, keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug unterliege und bestätigt werde, dass es sich um eine Kopie des Originalbescheides handle (vgl. Vollstreckungsakte Bl. 12 ff., 16). Daraufhin beauftragte der Antragsgegner unter dem 12.03.2012 einen Vollziehungsbeamten, wegen der Rückstände und der bis zur Erledigung des Vollstreckungsauftrages anfallenden Vollstreckungskosten u.a. bewegliche Sachen des Antragstellers bis zum 26.03.2012 zu pfänden. Nach einem Vermerk des Vollziehungsbeamten vom 12.03.2012 hat der Antragsteller Zutritt zur Wohnung und Zahlung verweigert (vgl. Bl. 2 der Nachheftung zur Vollstreckungsakte).
Mit dem am 15.03.2012 bei Gericht gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller unter anderem, dem Antragsgegner zu untersagen, die Forderung der Bezirkshauptmannschaft X gemäß dem Amtshilfeersuchen vom 12.10.2011 zu vollstrecken.
Der Antragsteller meint, Amtshilfe dürfe nach Art. 4 Abs. 1 des deutsch-österreichischen Amtshilfeabkommens vom 31.05.1988 nicht geleistet werden, weil die Vollstreckung des österreichischen Straferkenntnisses gegen den ordre public in Deutschland verstoße. Der zu vollstreckende Titel verstoße insbesondere gegen das rechtsstaatlich grundlegende Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung und gegen das Schweigerecht im Strafverfahren, denn der Antragsteller werde dafür bestraft, dass er nicht über den Namen und die Anschrift derjenigen Person Auskunft gebe, die das Fahrzeug gesteuert habe. Zudem verstoße die Vollstreckung des österreichischen Titels gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ...