Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht ins Handelsregister eingetragener Handwerksbetrieb mit einem Jahresumsatz von knapp 250.000 Euro als Handelsgewerbe i. S. v. § 1 Abs. 2 HGB. haftungsbegründende Firmenfortführung durch die Ehefrau trotz vorheriger Betriebseinstellung durch den Ehemann und Übereignung des Betriebsgrundstücks vor der Betriebseinstellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein in die Handwerksrolle, nicht aber in das Handelsregister eingetragener Betrieb mit einer umfangreichen Lagerhaltung, der neben dem Einbau von Schlössern, Schließanlagen, sonstigen Einbruchssicherungen, dem Führen von Schließakten, dem Fertigen von Nachschlüsseln, Briefkastenanlagen, Beschilderungen und sonstigen Gravuren u.a. einen Schlüsselnotdienst anbietet, mit Briefkästen, Schlüsseln, Schlössern, Pokalen und Schildern handelt und einen Jahresumsatz von knapp 250000 Euro erzielt, erfordert einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb und ist ungeachtet dessen ein Handelsgewerbe i.S. von § 1 Abs. 2 HGB, dass er nur drei Angestellte hat und Größe sowie Organisation der Betriebsstätte überschaubar sind.
2. Es kann auch dann von einer haftungsbegründenden Unternehmensfortführung i. S. d. § 25 HGB auszugehen sein, wenn der bisherige Inhaber zwar nach Übertragung des Eigentums am Betriebgrundstück auf die Ehefrau seinen Betrieb (siehe unter 1.) unter Kündigung der bisherigen Angestellten beendet hat, die Ehefrau nunmehr jedoch im Betriebsgebäude nach Anstellung neuer Arbeitskräfte dieselben Tätigkeitsbereiche wie zuvor der Ehemann anbietet und u.a. dem wichtigsten Kunden lediglich eine Unternehmensumstrukturierung suggeriert, die auf dem Briefkopf ihres Ehemannes, auf dessen Visitenkarten und im Geschäftsverkehr verwendeten Unternehmensbezeichnungen samt Firmenlogo, Excel-Tabellen zur Zahlungsüberwachung und zum Mahnwesen sowie das betriebliche Fahrzeug für den Schlüsselnordienst weiter verwendet, offene Forderungen aus dem Betrieb des Ehemanns einzieht, und wenn sich der Kunden- und Lieferantenkreis nicht wesentlich ändert.
Normenkette
HGB § 25 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 2; AO § 191 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Antragstellerin für die Steuerschulden ihres Ehemannes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch – HGB – haftet, weil sie sein Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführte.
Der Ehemann der Antragstellerin, H. B., war bis zum 31.03.2008 als Einzelunternehmer unter der Firmenbezeichnung „B. – Fachbetrieb für Einbruchschutz, Schließanlagen – Briefkästen – Tresore – Schloss- & Schlüsselcenter” tätig. Neben den Einbau von Schlössern, Schließanlagen, sonstigen Einbruchssicherungen, dem Fertigen von Nachschlüsseln, Briefkastenanlagen, Beschilderungen und sonstigen Gravuren bot er einen Schlüsselnotdienst an und handelte mit Briefkästen, Schlüsseln, Schlössern, Pokalen und Schildern. Er beschäftigte zwei Monteure und zeitweise eine Bürokraft. Zudem arbeitete die Antragstellerin im Unternehmen mit. Im Handelsregister war er nicht eingetragen. Teilweise wurden auch die Bezeichnungen „B. Fachhandel” und „B. Sicherheitstechnik” im Geschäftsverkehr verwandt. Den größten Teil seiner Umsätze erzielte er mit Dauerkunden. So erstellte er Schließpläne, fertigte Schließanlagen, führte Schließakten und lieferte im Bedarfsfall Nachschlüssel für die S.-Bank, die D.-Bank, die V.-Bank und verschiedene Hausverwaltungen sowie deutschlandweit für die I.–Heimwerkermärkte. Ferner führte er Türöffnungen für die Polizei, die Vollstreckungsstelle des Finanzamts und für das Zollfahndungsamt durch. Sein Unternehmen führte er vom Grundstück H.-Straße in D. aus, auf dem sich ein Betriebsgebäude mit Verkaufsraum, Werkstatt, Lager und Toiletten im Erdgeschoss und Büroräumen, einer Toilette, einem Ausstellungsraum für Briefkästen und einem Raum für die Ablage der Schließakten befand. In einem zweiten Gebäude auf dem Grundstück befand sich im Erdgeschoss eine Werkstatt und ein Verkaufsraum, die nicht für den Betrieb genutzt wurden, sowie im Obergeschoss eine Wohnung. Das Grundstück befand sich im Eigentum des H. B., der es als Privatvermögen betrachtete. Bei einer Betriebsbesichtigung durch die Betriebsprüfung des Finanzamtes am 03.06.2009 war ein umfangreicher Lagerbestand an Zylinder- und Schlüsselrohlingen, Blenden, Pokalen und sonstigem Zubehör, insgesamt über 100.000 Teile, vorhanden. Nach der beim Finanzamt eingereichten Einnahmeüberschussrechnung betrugen die Umsatzerlöse des Ehemannes der Antragstellerin 2007 rund 112.000 EUR, während Ausdrucke der von der Steuerfahndung in elektronischer Form erhobenen Kontobewegungen der drei Geschäftskonten Rechnungseingänge, Bargeldeinzahlungen und Scheckeinlösungen i.H.v. 294.472 EUR ausweisen, was Nettoumsatzerlösen von rund 247.450 EUR entspricht. Zum 31.03.2008 meldete H. B. sei...