Entscheidungsstichwort (Thema)

Investitionszulage 1992

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08. Juni 1994 wird der Investitionszulagenbescheid für das Kalenderjahr 1992 vom 23. Juli 1993 dahingehend abgeändert, daß die Investitionszulage auf 23.340,– DM festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 7.779,– DM festgesetzt.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß ergebenden Höhe abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Fuhrunternehmer. Er schloß am 10. Juni 1992 einen Kaufvertrag über einen fabrikneuen Lkw zum Preis von netto 194.509,– DM. Den Lkw holte er am 25./26. Juni 1992 beim Hersteller ab. Nach Überführung mit roten Kfz-Kennzeichen wurde der Lkw am 2. Juli 1992 zum Verkehr zugelassen. Laut Fahrzeugbrief war die Bescheinigung, daß das Fahrzeug den geltenden Vorschriften entspreche, vom amtlich anerkannten Sachverständigen am 16. Juni 1992 erteilt worden.

Am 4. Juni 1993 beantragte der Kläger beim Beklagten (dem Finanzamt – FA–) die Gewährung einer Investitionszulage mit einem Zulagensatz von 12 % in Höhe von 23.340,– DM. Das FA hingegen gewährte mit Bescheid vom 23. Juli 1993 lediglich eine Investitionszulage in Höhe von 15.561,– DM (= 8 % der Bemessungsgrundlage) unter Hinweis darauf, daß die Zulassung des Lkw nach dem 30. Juni 1992 erfolgt sei.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die vorliegende Klage. Nach Auffassung des Klägers liegt der Zeitpunkt der tatsächlichen Anschaffung im Streitfall vor dem 30. Juni 1992. Da es sich bei dem Lkw um ein beliebiges Serienfahrzeug handele, sei die Kfz-Zulassung reine Formsache gewesen. Das alleinige Abstellen auf das Zulassungsdatum werde den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht und verstosse im übrigen gegen das Gleichbehandlungsgebot. Während andere gewerbliche Maschineninvestitionen, die keiner Betriebs- bzw. Verkehrs Zulassung bedürften, bereits mit dem Stichtag des Erwerbs bzw. der Eigentumsübergabe investitionszulageberechtigt seien, sollen Kraftfahrzeuge nach Auffassung des FA erst mit der amtlichen Zulassung als angeschafft gelten. Hierfür gebe es keine Grundlage. Im übrigen verweist der Kläger auf § 9 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Investitionszulagenbescheid für das Kalenderjahr 1992 vom 23. Juli 1993 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 1994 dahingehend abzuändern, daß die Investitionszulage auf 23.340,– DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt Klageabweisung.

Gemäß Textziffer 15 des BMF-Schreibens vom 28. August 1991 IV B 3 – InvZ 1010 – 13/91, BStBl I 1991, 768 seien Wirtschaftsgüter, deren Einsatz einer behördlichen Genehmigung bedarf, in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem die Genehmigung erteilt ist. Erst nach Erteilen der Genehmigung seien diese Wirtschaftsgüter betriebsbereit. Da das begünstigte Fahrzeug am 2. Juli 1992 zum Verkehr zugelassen worden sei, sei es gemäß §§ 5 Nr. 1, 3 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG 1991) nur mit 8 % zulagenfähig.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Der vom Kläger angeschaffte Lkw ist gemäß §§ 5 Nr. 1, 3 Nr. 1 InvZulG 1991 mit einem Zulagensatz von 12 % begünstigt, da die Investition vor dem 1. Juli 1992 abgeschlossen wurde.

a) Investitionen sind gemäß § 3 Satz 3 InvZulG 1991 in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind.

Im Einkommensteuerrecht gilt ein Wirtschaftsgut gemäß § 9 a EStDV mit erfolgter Lieferung als angeschafft. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553). Der BFH geht jedoch in gefestigter Rechtsprechung davon aus, daß dem Einkommensteuerrecht entnommene Begriffe – wie hier der der – Anschaffung – im Investitionszulagenrecht nur dann nach den für die Einkommenbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen sind, wenn sich aus dem Sinn und Zweck des InvZulG sowie seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges entnehmen läßt (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 53/84, BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009; m.w.N.).

So hat der BFH in sogenannten Montage fällen entschieden, daß im Investitionszulagenrecht zur Bestimmung des Anschaffungs- bzw. Lieferzeitpunktes auf die Betriebsbereitschaft des angeschafften Wirtschaftsgutes und nicht auf die bloße Anlieferung der einzelnen Teile abzustellen sei. Gesetzespolitischer Zweck jener Begünstigungsnormen sei nämlich die Anregung der Investitionstätigkeit der Wirtschaft in zweifache...

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