Entscheidungsstichwort (Thema)
Handwerksgeselle auf Wanderschaft befindet sich nicht in Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Handwerksgeselle auf Wanderschaft, der während seiner Wanderschaft eine systematische Anleitung oder Unterrichtung theoretischer oder praktischer Natur z.B. in Werkstoffkunde oder in Arbeitstechniken durch eine fachlich autorisierte Stelle nicht erfährt, wird nicht für einen Beruf ausgebildet.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Handwerksgeselle auf Wanderschaft für einen Beruf ausgebildet wurde.
Der am 13.04.1982 geborene Sohn der Klägerin J. beendete am 20.08.2001 seine Ausbildung zum Zimmerergesellen. In der Zeit vom 21.08.2001 bis zum 30.09.2001 war er arbeitslos. Ab dem 01.10.2001 ging J. für 3 Jahre und 1 Tag auf Wanderschaft, die er nach rund einem Jahr abbrach. Ein halbes Jahr vor seiner Wanderschaft wurde J. an den Wochenenden in einem Gesellenheim in E. auf die Walz vorbereitet. Während seiner Wanderschaft verrichtete J. in Deutschland neben Zimmererarbeiten auch Maurer-, Trockenbau-, Tischler- und Fliesenarbeiten. Die dazu erforderlichen Kenntnisse erlernte er von anderen Wandergesellen bzw. eignete er sich selbst an. Er half, in Griechenland ein Natursteinhaus, in Russland ein Blockhaus und in der Mongolei Jurten zu bauen. Ein Meister, der ihn anleitete, war bei den genannten Arbeiten nicht dabei.
Am 19.11.2001 beantragte die Klägerin (erneut) Kindergeld für J. für den Zeitraum Januar bis September 2001 und fortlaufend, was der Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2002 ablehnte. Dagegen legte die Klägerin unter dem 07.02.2002 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11.07.2002 als unbegründet zurückwies.
Am 11.08.2002 hat die Klägerin Klage erhoben.
Im Klageverfahren hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 30.01.2003 Kindergeld für den Zeitraum Januar bis September 2001 festgesetzt. In der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2005 haben die Beteiligten den Rechtsstreit für den Zeitraum Januar bis September 2001 übereinstimmend für erledigt erklärt. Daraufhin hat der Senat den Rechtsstreit wegen Familienleistungsausgleich für Januar bis September 2001 abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen 5 K 444/05 (Kg) fortgeführt.
Die Klägerin ist der Auffassung, auch für den Zeitraum der Wanderschaft lägen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuer – EStG – vor. Zur Begründung zitiert die Klägerin aus in der Kindergeldakte befindlichen Kopien aus dem Buch „Mit Gunst und Verlaub! – wandernde Handwerker: Tradition und Alternative”, herausgegeben von Anne Bohnenkamp und Frank Möbus, 1989. Danach würden anlässlich der Wanderschaft den Gesellen Arbeitsweisen vermittelt, die nur regional bekannt seien. Besonders in abgelegenen Teilen Europas könne man solche handwerklichen Techniken erlernen, die in der hochtechnisierten Bundesrepublik zwar schon lange vergessen seien, für deren Anwendung aber – besonders seit den 80iger Jahren im Zuge der Rückbesinnung auf ökologisch sinnvolles Bauen – ein akuter Bedarf bestehe. Die Walz gelte als anerkannter Teil der Handwerksausbildung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.01.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2002 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.01.2003 dahingehend zu ändern, dass Kindergeld auch ab Oktober 2001 für das Kind J festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Wanderschaft diene dem Erwerb erster Arbeitserfahrungen, die statt in einer festen Anstellung in der Heimat bei verschiedenen Arbeitgebern in der Ferne erfolgten. Die Wanderschaft sei deshalb keine Ausbildung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Kindergeldvorgang des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das Kind J. ist im noch streitigen Zeitraum kindergeldrechtlich nicht zu berücksichtigen.
Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat, wer im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Anspruch auf Kindergeld für Kinder i.S.d. § 63 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG werden Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1, Abs. 3 bis 5 EStG berücksichtigt. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kommt die Berücksichtigung eines Kindes, das das 18. Lebensjahr vollendet hat nur dann in Betracht, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Die Voraussetzungen dieses im Streitfall allein in Rede stehenden Berücksichtigungstatbestandes sind nicht gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf...