rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung von Steuerbescheiden in Polen per Einschreiben mit Rückschein. Ehefrau als Empfangsbotin. Fahrzeugführer als Steuerschuldner bei Einfuhrschmuggel im Fahrzeug versteckter Zigaretten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Steuerbescheide können in Polen wirksam durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.

2. Der Umstand, dass der Postmitarbeiter die Sendung nicht dem Steuerschuldner persönlich, sondern dessen Ehefrau übergeben hat, steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen. Die Ehefrau ist als Empfangsbotin anzusehen.

3. Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung (hier den Steuerbescheid) dem Empfänger verspätet, falsch oder überhaupt nicht, so geht das zu Lasten des Empfängers.

4. Der Führer eines Fahrzeugs hat die Möglichkeit der Sachherrschaft über sein Fahrzeug und alle in ihm befindlichen Gegenstände, somit auch über die im Fahrzeug versteckten Zigaretten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Fahrzeug um einen PKW oder einen LKW handelt.

 

Normenkette

VwZG § 9 Abs. 1-2; BGB § 130 Abs. 1; ZPO § 178; TabStG § 23 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist der Steuerbescheid vom 23.05.2012 (Behördenakte Teil 3 Bl. 18), mit dem – unter Berücksichtigung zeitlich nachfolgender Änderungsbescheide (Behördenakte Teil 3 Blatt 28, 36, 48) – gegen den Kläger zuletzt Tabaksteuer in Höhe von 22.996,22 EUR festgesetzt worden war. Die Klage richtet sich außerdem gegen die Einspruchsentscheidung vom 06.06.2014 (Behördenakte Teil 3 Blatt 134 ff.; Blatt 12 ff. der Akte), mit welcher der Beklagte den Einspruch des Klägers gegen den Steuerbescheid vom 23.05.2012 in Gestalt der oben erwähnten Änderungsbescheide wegen Nichteinhaltung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen hat.

Am 17.03.2011 wurde durch Beamte der Kontrolleinheit Verkehrswege ein polnischer Autotransporter Fiat Ducato auf der BAB 4 in Fahrtrichtung D., einer Kontrolle unterzogen. Fahrzeugführer zum Zeitpunkt der Feststellung war der Kläger, Beifahrer war R.. Durch Einsatz eines Röntgengerätes wurde im Bereich der Ladefläche ein nicht bauartbedingter Hohlraum festgestellt, der mit insgesamt 163.000 Stück Zigaretten verschiedener Marken mit ukrainischen Steuerzeichen befüllt war. Im Verlauf der Kontrolle machten der Kläger und Herr R. gegenüber den aufgreifenden Beamten übereinstimmend die Aussage, von einem Versteck im Fahrzeug nichts gewusst zu haben und gaben an, erst kurz vor der Einreise nach Deutschland das Fahrzeug übernommen zu haben. Wegen der getroffenen Feststellungen wird verwiesen auf den Schlussbericht des Zollfahndungsamts vom 20.09.2011 sowie auf die Vernehmungen des Klägers vom 18.03.2011 und vom 01.06.2011 (Behördenakte Teil 2 Blatt 273 ff; Behördenakte Teil 1 Blatt 25 ff, 195 ff.).

Aufgrund der Ermittlungen des Zollfahndungsamtes bestand der dringende Verdacht, dass die weiteren Beschuldigten B. sowie P. tatgemeinschaftlich insgesamt 163.000 Zigaretten mit ukrainischem Steuerzeichen aus der Ortschaft R. nach Z. und von dort in die Bundesrepublik verbracht haben, am 17.03.2011 seien der Kläger und sein Beifahrer R. mit dem Verbringen des Tatfahrzeuges in die Bundesrepublik Deutschland beauftragt worden, ohne dass sie wussten, dass sich unversteuerte Zigaretten darin befinden. Die Beschuldigten P. und B. hätten gemeinschaftlich als Täter im Sinne von § 25 Abs. 1 und 2 StGB gehandelt und die Tat durch den Kläger sowie Herrn R. begangen, welche keine Kenntnis von der Straftat gehabt hätten. Im Ergebnis regte das Zollfahndungsamt in seinem Schlussbericht vom 20.09.2011 eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen R. und den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO an. Der Anregung folgend hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 07.05.2012, Blatt 10 der Akte).

Aufgrund der getroffenen zollfahndungsrechtlichen Feststellungen erging der Steuerbescheid vom 23.05.2012 (Behördenakte Teil 3 Blatt 18), mit welchem gegenüber dem Kläger Zoll in Höhe von 3.286,08 Euro, Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 1.708,31 Euro und Tabaksteuer in Höhe von 22.996,22 Euro festgesetzt wurde. Der Bescheid wurde ausweislich eines Empfangsbekenntnisses vom 24.05.2012 (Behördenakte Teil 3 Blatt 25) – unleserliche Unterschrift – einem Empfangsbevollmächtigten übergeben. Der Kläger hatte – offenbar im Rahmen seiner ersten Beschuldigtenvernehmung – eine Empfangsvollmacht gemäß § 123 AO erteilt, in deren Rahmen er die beim Hauptzollamt dienstansässige S. oder einen Vertreter im Amt zur Entgegennahme u. a. aller im Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren anfallenden Schreiben des Hauptzollamtes bevollmächtigt hatte (Behördenakte Teil 1 Blatt 29). Der Bescheid vom 23.05.2012 wurde übermittelt mit Einschreiben/Rückschein an die polnische Wohnanschrift des Klägers. Ausweislich des Rückscheins wurde die Send...

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