rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Grunderwerbsteuer gegenüber dem in verdeckter Vertretung handelnden Meistbietenden des Zwangsversteigerungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einziehung der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG entstehenden Grunderwerbsteuer vom in verdeckter Vertretung handelnden Meistbietenden (hier: einem sich über die Regeln des Zwangsversteigerungsrechts irrenden Rechtsanwalts) ist im Einzelfall sachlich unbillig, wenn der Meistbietende den Grunderwerb weder wirtschaftlich noch rechtlich wollte und er die Rechte aus dem in verdeckter Stellvertretung abgegebenen Meistgebot alsbald an denjenigen weitergibt, in dessen Namen er von Anfang an handeln wollte.
2. Wegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die doppelte Grunderwerbsteuerpflicht ist jedoch zu fordern, dass die Abgabe des Meistgebotes in verdeckter Stellvertretung nicht Teil des an den Meistbietenden erteilten (Geschäftsbesorgungs-)Auftrages war und die mangelnde eigene Erwerbsabsicht bereits bei Angabe des Gebots offen zum Ausdruck gekommen ist sowie das Handeln in verdeckter Stellvertretung auf der Unkenntnis des Zwangsversteigerungsrechts beruht.
3. Der Umstand, dass es dem meistbietenden Rechtsanwalt oblag, sich vor Gebotsabgabe über die Einzelheiten des Zwangsvollstreckungsrechts zu informieren und er den Anfall der Grunderwerbsteuer in seiner Person hätte vermeiden können, steht dem Billigkeitserlass gem. § 227 AO nicht entgegen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 4; AO § 227; ZVG § 81 Abs. 3, § 90 Abs. 1; BGB § 164
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 6.7.2011 (Steuernummer: …; Aktenzeichen: …) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.9.2011 (Steuernummer/Aktenzeichen: …) verpflichtet, dem Kläger die mit Bescheid vom 12.8.2008 (Steuernummer: …) festgesetzte Grunderwerbsteuer zu erlassen.
2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in selbiger Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die sachliche Billigkeit der Einziehung der Grunderwerbsteuer für ein Meistgebot im Rahmen der Zwangsversteigerung.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. In seinen Briefbögen war 2008 „Rechtsanwalt – Anwaltsinkasso – Zwangsversteigerung – Erbrecht” aufgeführt. Mit notariell beglaubigter Vollmacht (UR-Nr. … des Notars K. in Z.) wurde der Kläger von L. bevollmächtigt, diesen im Zwangsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht Z. 1 K 372/06 zu vertreten. Die Vollmacht enthielt u.a. folgenden Wortlaut:
„Der Bevollmächtigte soll ermächtigt sein, für mich zu bieten, den Zuschlag zu beantragen und die Rechte aus dem Meistgebot für mich zu übernehmen oder an einen anderen abzutreten. Auch kann der Bevollmächtigte (…) alle sonstigen Erklärungen für mich abgeben, die im Verlaufe des Verfahrens notwendig oder zweckmäßig sein werden.”
Im Zuge der Vollmachtserteilung teilte L. dem Kläger mit, dass es ihm recht wäre, wenn der Antragsteller der Zwangsversteigerung, M., nicht wisse, dass er – L. – das Grundstück erwerbe.
Am 19.3.2008 fand vor dem Amtsgericht Z. – Vollstreckungsgericht – unter dem Geschäftszeichen 1 K 372/06 die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft am Grundstück Grundbuch von B. (Amtsgericht A.) Bl. 98, Flurstück …, eingetragen auf den Namen M. und L., statt. Vor Eröffnung der Bietzeit stellte das Gericht das geringste Gebot fest und teilte mit, welche Rechte trotz Zwangsversteigerung bestehen bleiben. Das Gericht gab nach Eröffnung der Bietzeit die Hinweise, dass grundsätzlich jede geschäftsfähige Person unter Vorlage eines Lichtbildausweises bieten könne und dass eine öffentlich beglaubigte Bietungsvollmacht erforderlich sei, soweit in Vollmacht eines Dritten geboten werde.
Der Kläger gab als erster ein Gebot ab. Zu diesem Zweck begab er sich an den Richtertisch und legte die notariell beglaubigte Vollmacht und seinen Personalausweis vor. Er beabsichtigte beim Herantreten an den Richtertisch nicht, ein Gebot im eigenen Namen abzugeben. Der das Zwangsversteigerungsverfahren leitende Rechtspfleger H. wies den Kläger auf die Möglichkeit hin, ein Gebot „in verdeckter Vollmacht” abzugeben, die Bietvollmacht erst nach Feststellung des Meistgebotes zu offenbaren. Er teilte insoweit mit, dass sich diese Vorgehensweise in Teilungsversteigerungsverfahren manchmal anbiete. Daraufhin entschied sich der Kläger, dem diese von § 81 Abs. 3 Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) eröffnete Verfahrensweise zuvor nicht bewusst war, für eine entsprechende Vorgehensweise, bei der der Name des künftigen Erwerbers in der Bietzeit nicht genannt wird.
Das Gebot des Klägers in Höhe von 222.500 EUR wurde aufgenommen, die persönlichen Daten des Klägers wurden durch den Rechtspfleger H. notiert, wobei er die Anschr...