Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts zum Rückerhalt eines zuvor unrechtmäßig abgezweigten Kindergeldbetrags. Anwaltskosten zur Aufhebung eines versehentlich an die Klägerin adressierten Rückforderungsbescheids betreffend abgezweigtes Kindergeld erstattungsfähig i. S. d. § 77 Abs. 1 S. 1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. War der Einspruch der Klägerin gegen eine zu ihren Lasten vorgenommene Abzweigung von Kindergeld erfolgreich, erhält die Klägerin aber auch nach Aufhebung des Abzweigungsbescheides trotz mehrfacher Anfrage bei der Familienkasse über einen langen Zeitraum hinweg keine Nachzahlung in Höhe der zuvor abgezweigten Kindergeldbeträge, so ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts „notwendig” i. S. d. § 77 Abs. 2 EStG.
2. Erfolgt die Nachzahlung der unrechtmäßig abgezweigten Kindergeldbeträge und will die Familienkasse das abgezweigte Kindergeld vom Abzweigungsempfänger zurückfordern, adressiert sie den Rückforderungsbescheid aber versehentlich erneut an die Klägerin, legt der Anwalt der Klägerin deswegen Einspruch ein und wird der Rückforderungsbescheid gegenüber der Klägerin wieder aufgehoben, so sind die Kosten für dieses Einspruchsverfahren nach § 77 Abs. 1 S. 1 EStG erstattungsfähig.
Normenkette
EStG § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 verpflichtet, die der Klägerin für das Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid vom 7. Mai 2012 zu erstattenden Kosten festzusetzen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Kostenerstattung im Vorverfahren.
Die Klägerin erhielt Kindergeld für ihren behinderten Sohn T.. Auf Antrag des Landkreises B. zweigte die Beklagte ab Februar 2011 einen Teilbetrag von 121,– EUR der monatlichen Kindergeldzahlung an diesen ab. Auf den Einspruch der Klägerin hob die Beklagte den Abzweigungsbescheid sodann wieder auf und zahlte das laufende Kindergeld ab April 2011 in vollem Umfang an die Klägerin aus. Die Teilbeträge für Februar und März 2011 erhielt die Klägerin trotz mehrmaliger Nachfrage nicht. Am 3. Mai 2012 mandatierte sie schließlich eine Anwaltskanzlei. Am 7. Mai 2012 fertigte die Beklagte eine interne Kassenverfügung, die sodann zur Auszahlung der fehlenden Beträge an die Klägerin führte.
Zusammen mit der Kassenverfügung über die Nachzahlung an die Klägerin erließ die Beklagte einen Rückforderungsbescheid. Fehlerhaft adressierte sie diesen jedoch nicht an den Landkreis B. als Abzweigungsempfänger, sondern an die Klägerin. Die Anwälte der Klägerin legten Einspruch ein, der am 31. Mai 2012 zur Aufhebung des Rückforderungsbescheides führte. Zugleich entschied die Beklagte, die der Klägerin entstandenen Aufwendungen nicht zu erstatten. Den Einspruch gegen diese Kostenentscheidung wies sie zurück. Es sei nicht um eine Kindergeldfestsetzung, sondern um einen Erstattungsbescheid gegangen. Daher seien die Kosten des Einspruchsverfahrens nicht erstattungsfähig.
Die Klägerin ist der Auffassung, Gegenstand des maßgeblichen Einspruchsverfahrens seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Kindergeldzahlung gewesen.
Sie beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 zu verpflichten, die der Klägerin für das Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid vom 7. Mai 2012 zu erstattenden Kosten festzusetzen.
Die Beklagte hat keinen Klageantrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Parallelverfahren 6 K 1078/13 (Kg) übergebenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der vorliegenden Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für das Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid vom 7. Mai 2012.
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Familienkasse, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus nicht nur auf Einsprüche gegen Kindergeldfestsetzungen, sondern etwa auch auf Einsprüche gegen die Aufhebung von Kindergeldfestsetzungen anwendbar (Beschluss des Bund...