rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfbelehrung bei Zusammenschau einer an sich zutreffenden Rechtsbehelfsbelerung und der sich daran anschließenden für einen Laien missverständliche Hinweise
Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsbehelfsbelehrung (im Streitfall in einem Kindergeldbescheid) ist unrichtig, wenn zwar die unter der Überschrift „Rechtsbehelfsbelehrung” gemachten Ausführungen alle nach § 356 Abs. 1 AO erforderlichen Angaben vollständig und unmissverständlich enthalten, sich daran aber „Hinweise” anschließen, die einem nicht juristisch vorgebildeten Bescheidadressaten bei der Lektüre der Rechtsbehelfsbelehrung samt der Hinweise den Eindruck vermitteln können, er könne statt der Anfechtung des Verwaltungsakts bei der Familienkasse auch form- und fristlos Einwände geltend machen.
Normenkette
AO § 355 Abs. 1 S. 1, § 356 Abs. 1, 2 S. 1
Tenor
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 27.03.2012 wird hinsichtlich des Zeitraumes November 2009 bis Juli 2011 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 27.03.2012 fristgerecht Einspruch eingelegt wurde und ob dieser Bescheid außerhalb des Einspruchsverfahrens aufgehoben bzw. geändert werden kann.
Der Sohn des Klägers, S., geboren am 02.08.1991, absolvierte von August 2008 bis zum 20.07.2011 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Garten- und Landschaftsbau. Die Bruttoausbildungsvergütung betrug 2009 5.189,23 Euro, 2010 6.064,34 Euro und vom 01.01. bis zum 20.07.2011 3.598,38 Euro. Ab dem 21.07.2011 war S. als Facharbeiter für Garten- und Landschaftsbau unselbständig tätig.
Am 19.10.2009 beantragte der Kläger Kindergeld für S. für den Zeitraum August 2008 bis zum voraussichtlichen Ende der Berufsausbildung im August 2011. Dazu legte er eine Bestätigung des Ausbildungsbetriebes über die voraussichtliche Ausbildungsdauer sowie die monatliche Bruttoausbildungsvergütung ab 01.08.2008 und ab 01.08.2009 vor. Durch Auszahlung des beantragten Kindergeldes setzte die Beklagte das Kindergeld antragsgemäß fest.
Mit Schreiben vom 28.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass über seinen Anspruch auf Kindergeld noch nicht endgültig entschieden werden könne, weil noch ein Nachweis über das Ende der Berufsausbildung und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen „für x” fehle. Sollte dieses Schreiben nicht bis zum 15.03.2012 erledigt werden, müsse die Kindergeldfestsetzung ab November 2009 aufgehoben und das ab diesem Monat bereits gezahlte Kindergeld in Höhe von 4.008 Euro zurückgefordert werden.
Mit Bescheid vom 27.03.2012 hob der Beklagte das Kindergeld für S. für November 2009 bis August 2011 auf und forderte das bereits ausgezahlte Kindergeld für diesen Zeitraum in Höhe von 4.008 Euro zurück. Der letzte vorliegende Ausbildungsnachweis sei im Oktober 2009 ausgestellt. Trotz Aufforderung habe der Kläger keinen Nachweis über das Ende der Ausbildung und keine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen im Zeitraum Januar 2011 bis August 2011 vorgelegt. Der Bescheid enthielt nach der „Rechtsbehelfsbelehrung: Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden… Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären…” folgende „Hinweise: Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, wenden Sie sich an Ihre zuständige Familienkasse. Bei Fragen zu Rückzahlungen wenden Sie sich bitte unverzüglich an das regionale Forderungsmanagement…”. Laut Postaufgabevermerk wurde der Bescheid am 29.03.2012 zur Post gegeben.
Der Kläger wandte sich daraufhin an die Familienkasse und reichte aufgrund eines mit den zuständigen Sachbearbeiter geführten Telefonats unter dem 26.04.2012 umfangreiche Unterlagen zu den Einkünften, Sozialversicherungsbeiträgen und Werbungskosten 2008 bis 2011 sowie eine Bestätigung des Ausbildungsbetriebes der Bruttoausbildungsvergütung ab dem 01.08.2010 vom 25.08.2011 nach. Die Unterlagen gingen am 03.05.2012 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 04.05.2012 lehnte die Beklagte den „Antrag auf rückwirkende Neufestsetzung des Kindergeldes bzw. Änderung des Aufhebungsbescheides vom 27.03.2012” ab. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Eine Änderung komme nicht in Betracht, da die Voraussetzungen der §§ 172 bis 177 Abgabenordnung – AO – bzw. des § 70 Abs. 2 bis 4 Einkommensteuergesetz – EStG – nicht vorlägen. Dagegen legte der Kläger am 21.05.2012 Einspruch ein. Er habe die Unterlagen fristgerecht am 26.04.2012 abgeschickt. In einem vorangegangenen Gespräch mit einer Mitarbeiterin de...