Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des Eigenverbrauchs einer Gastwirtin nach Richtsätzen. Veräußerung des Inventars einer Gastwirtschaft bzw. dessen Überführung in das Privatvermögen im Zuge der Betriebsaufgabe
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat eine Unternehmerin für ihre Gastwirtschaft bezogene Lebensmittel und Getränke auch für sich selbst bzw. für die kostenlose Bewirtung von Verwandten und Freunden verbraucht, ist der Eigenverbrauch zu schätzen, wenn schlüssige und nachprüfbare Aufzeichnungen i.S.d. § 22 UStG fehlen. Eine Schätzung nach Richtsätzen ist eine allgemein anerkannte Methode.
2. Die Unternehmereigenschaft endet nicht, bevor der Unternehmer seine Leistungstätigkeit eingestellt hat, insbesondere die seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstände veräußert oder entnommen hat.
Gegenstände eines Unternehmens, die nach Aufgabe des Betriebs zurückgehalten werden, um sie bei passender Gelegenheit zu veräußern, bleiben somit weiterhin umsatzsteuerrechtlich verhaftet, sofern für sie ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden war.
3. Hat eine Gastwirtin ihre Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen verletzt, indem sie zunächst Unterlagen, die Aufschluss über den Verbleib des Inventars des Gasthofs nach Aufgabe des Betriebs geben, nicht vorgelegt und später ihre Mitwirkung ganz versagt, durfte das FA davon ausgehen, dass die Gastwirtin das Inventar an den Nachmieter veräußert hat. Dabei liegt eine schätzweise Ermittlung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage, die sich an den Restbuchwerten des Anlagevermögens orientiert, im Rahmen des Wahrscheinlichen.
Normenkette
AO 1977 § 90 Abs. 1, § 162 Abs. 1-2; UStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 2, 22; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Umsatzsteuerfestsetzung des Beklagten für die Jahre 1994 bis 1996 dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt ist.
Die Klägerin betrieb in der Zeit vom 01.06.1993 bis zum 31.08.1995 in gemieteten Räumen einen Gasthof mit Pension. Für die ihr entstandenen Aufwendungen infolge der Sanierung des Gebäudes i. H. v. 217.233,– DM sowie für die Einrichtung und eine geleistete Pkw-Leasingsonderzahlung machte die Klägerin in den jeweiligen Voranmeldungszeiträumen Vorsteuer geltend. Nach der Aufgabe des Gewerbebetriebs schloss die Klägerin am 04.05.1996 mit der Vermieterin – zur Abgeltung der gegenseitigen Ansprüche – einen Vergleich. Danach sollten die nach Auffassung der Vermieterin bestehenden Mietzinsansprüche für die Zeit vom 15.08.1993 bis 30.04.1996 i. H. v. 122.003,78 DM mit den von der Klägerin behaupteten Gegenansprüchen für in das Gebäude getätigte Investitionen verrechnet werden. Nur für den Fall, dass es zu einer Neuvermietung des Anwesens käme, verpflichtete sich die Vermieterin darüber hinaus, für höchstens 5 Jahre von den eingehenden Monatsmieten 50 v.H. an die Klägerin bis zu einem Betrag von 100.000,– DM zu zahlen. Das Inventar der Gaststätte und der Pension konnte bis zu 6 Monate nach Abschluss der Vereinbarung unentgeltlich in den Räumlichkeiten verbleiben. Ein Mietvertrag sollte vorrangig mit einem Nachmieter abgeschlossen werden, der bereit war, das Inventar der Klägerin zu übernehmen. Im Rahmen einer am 16.01.1997 im Hause des Beklagten stattgefundenen Unterredung teilte die Klägerin – ausweislich einer von ihr unterzeichneten Protokollabschrift – der zuständigen Sachbearbeiterin mit, dass nach der Geschäftsaufgabe die für die Pension und Gaststätte angeschafften Wirtschaftsgüter von dem Nachmieter übernommen worden seien. Der Pkw, der im Jahr 1996 einen Restwert von 10.000,– DM gehabt habe, sei ins Privatvermögen überführt worden. Im Zuge der Umsatzsteuerveranlagungen 1994 und 1995 forderte der Beklagte (das Finanzamt – FA–) die Klägerin u.a. auf, den Eigenverbrauch von Gegenständen und sonstigen Leistungen darzulegen. Weil entsprechende Nachweise nicht erbracht wurden, setzte das FA bei den jeweiligen Umsatzsteuerjahresbescheiden vom 02.12.1997 einen Eigenverbrauch an. Bei der Berechnung legte es die in dem BMF-Schreiben vom 10.01.1994, BStBl. I 1994, 109 bekanntgegebenen Pauschbeträge für die Gewerbeklasse „Gast- und Speisewirtschaft mit Abgabe von kalten und warmen Speisen” zugrunde. Den Wert der Inventarveräußerung und den Gegenstandseigenverbrauch im Jahr 1996 schätzte der Beklagte auf 100.000,– DM (86.956,– DM netto) und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 02.12.1997 auf 13.043,– DM fest. Dabei ermittelte er den Restbuchwert des Anlagevermögens der Klägerin unter Einbeziehung der Angaben in der Bilanz zum 31.12.1993 i. H. v. 79.567,– DM. Er ging bei seiner Festsetzung davon aus, dass die Klägerin das Inventar an den Nachmieter veräußert hat. Die gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1996 vom 02.12.1997 eingelegten Einsprüche wurden jeweils mit Entscheidung vom 05.05.1998 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruch gegen den Umsatzsteuer...