Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung festgesetzter Investitionszulagen wegen Fehlens einer eigenhändigen Unterschrift nach § 173 AO 1977
Leitsatz (redaktionell)
Enthält der Betriebsprüfungsbericht die Feststellung, dass die Überprüfung der Investitionszulage zu keiner Änderung führt, obwohl der Investitionszulagenantrag nicht eigenhändig vom Anspruchsberechtigten unterschrieben ist, scheidet eine Aufhebung der festgesetzten Investitionszulage wegen des nachträglichen Bekanntwerdens der Tatsache der fehlenden Unterschrift nach § 173 Abs. 2 AO 1977 aus, wenn die Feststellung im Betriebsprüfungsbericht als Mitteilung i.S. des § 202 Abs. 1 S. 3 AO 1977 zu werten ist.
Normenkette
InvZulG 1996 § 6 Abs. 3 S. 1; AO 1977 § 173 Abs. 2, 1 S. 1 Nr. 1, § 202 Abs. 1 S. 3, § 150 Abs. 3 S. 1, § 88
Tenor
Der Bescheid vom 2.10.1998 über Investitionszulage 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.3.1999 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 73 % und der Beklagte zu 27 %.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die festgesetzten Investitionszulagen für 1993 und 1996 wegen der nicht eigenhändigen Unterschrift des Klägers wieder aufgehoben werden durften.
Der als Installateurmeister tätige Kläger reichte im Juni 1994 einen Investitionszulageantrag für 1993 ein, der mit „S” unterzeichnet war. Bei der Anfertigung des Antrages hatte seine jetzige Prozessbevollmächtigte mitgewirkt. Mit Bescheid vom 13.9.1994 setzte das Finanzamt – der Beklagte – Investitionszulage für 1993 in Höhe von 16.131 DM – ohne Vorbehalt der Nachprüfung – fest.
Für das Jahr 1996 reichte der Kläger Anfang September 1997 einen Investitionszulageantrag auf einem Vordruck für 1995 ein, der auf „1996” handschriftlich abgeändert worden und mit „S” unterzeichnet war. Mit Bescheid vom 24.9.1997 setzte das Finanzamt Investitionszulage 1996 in Höhe von 4.961 DM – ohne Vorbehalt der Nachprüfung – fest.
Im Januar 1998 fand eine Außenprüfung statt, die unter anderem auch die Investitionszulage für das Jahr 1996 umfasste. Nach Tz 6.1 des Berichts vom 9.4.1998 stellte der Prüfer fest, dass die Investitionszulage 1996 für ein bisher vom Finanzamt als geringwertiges Wirtschaftsgut angesehenes Sichtlagerkastensystem zu Unrecht verwehrt worden sei; da aber die Festsetzung der Investitionszulage 1996 nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe, könne sie mangels Änderungsmöglichkeiten nicht mehr gewährt werden.
Anlässlich des Investitionszulageverfahrens für das Jahr 1997 stellte sich heraus, dass die Ehefrau des Klägers die Investitionszulageanträge für 1993 und 1996 unterschrieben hatte. Mit getrennten Bescheiden vom 2.10.1998 hob das Finanzamt die Investitionszulagenfestsetzungen für 1993 und 1996 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) auf. Hiergegen legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass eine Aufhebung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen des Verstoßes gegen die Ermittlungspflicht des Finanzamts nach § 88 AO nicht möglich sei. Denn mit Abgabe der jährlichen Einkommensteuererklärungen der Eheleute S seien dem Finanzamt die Unterschriften beider Eheleute bekannt gewesen; es habe deshalb erkennen können, dass auf dem Investitionszulageantrag 1993 Frau S anstelle des Klägers unterschrieben habe. Der andere Anfangsbuchstabe hätte auffallen müssen. Die Aufhebung des Investitionszulagenbescheids 1993 verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Für 1996 begründete er seinen Einspruch damit, dass die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO eingreife. Mit dem Betriebsprüfungsbericht sei dem Steuerpflichtigen gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO mitgeteilt worden, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe. Somit bleibe die Änderungssperre bestehen, denn ein Fall von Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung liege nicht vor.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 31.3.1999 wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Rückforderung der Investitionszulagen 1993 und 1996 sei rechtmäßig. Die Investitionszulageanträge seien nicht wirksam, da sie nicht vom Kläger als dem Anspruchsberechtigten eigenhändig unterschrieben worden seien. Dass die Ehefrau den Antrag unterzeichnet habe, müsse sich das Finanzamt nicht als bekannt zurechnen lassen, denn es sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Bearbeitung der Investitionszulageanträge Ermittlungen bezüglich der Unterschrift durchzuführen. Es habe auch kein Anlass dazu bestanden, denn die Unterschrift habe keinen Vornamen enthalten, es habe kein vernünftiger Grund vorgelegen, um an der eigenhändigen Unterschrift zu zweifeln. Den Kläger treffe ein überwiegendes Verschulden, denn er bzw. seine steuerlichen Vertreter hätt...