rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch aufgrund eines Freiwilligendienstes „Erasmus+”
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Kinder, die einen Freiwilligendienst im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2013 zur Einrichtung von „Erasmus+” leisten, kann auch dann ein Kindergeldanspruch bestehen, wenn der Europäische Freiwilligendienst nicht auf der Grundlage eines privatrechtlichen Fördervertrags geleistet wird, der zwischen dem Freiwilligen, der (meist inländischen) Entsendeorganisation, der (meist im EU- bzw. EWR-Gebiet ihren Sitz habenden) Aufnahmeorganisation sowie der die Förderung bewilligenden Stelle geschlossen wird und der erst mit abschließender Unterzeichnung durch die bewilligende Stelle zustande kommt (gegen Dienstanweisung der Familienkassen A 17.3 DA-KG Stand 2015).
2. Im Streitfall: Kindergeldanspruch im Jahr 2018 für die Tochter, die keine Entsendeorganisation beauftragt, sondern direkt Kontakt mit der Organisation aufgenommen hat, bei der sie dann die Freiwilligentätigkeit geleistet hat.
3. Das FG-Urteil wurde aufgrund der von der Familienkasse eingelegten Revision vom BFH, Urteil v. 1.7.2020, III R 51/19 aufgehoben; der Rechtsstreit wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Normenkette
EStG 2018 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2; EUV 1288/2013
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld in gesetzlicher Höhe für A von August 2018 bis Oktober 2018 zu bewilligen.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 11/14 und die Beklagte 3/14.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe zuvor leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes, welches einen Freiwilligendienst der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Erasmus+” absolviert, ein Vertrag zwischen einer Entsendeorganisation und der aufnehmenden Organisation erforderlich ist.
Der Kläger ist der Vater der am … geborenen A. Sie beendete im Juli 2018 ihre Schulausbildung und begann ab dem 5. September 2018 einen Freiwilligendienst bei der Organisation „B” in C.
Die Beklagte hob mit Bescheid … vom die Kindergeldbewilligung ab August 2018 auf. Der Kläger teilte der Beklagten am 29. Juli 2018 mit, dass seine Tochter ab September 2018 für elf Monate ein freiwilliges soziales Jahr in C ableisten wird. Hierzu legte er eine E-Mail der Organisation „B”, nach der A in der … – Church ab September 2018 ihren Dienst leisten wird sowie eine Teilnahmebestätigung vom 19. August 2018 der Organisation „B” vor. Des Weiteren erhob der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom …, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurückwies.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm Kindergeld für den streitigen Zeitraum zustehe, da seine Tochter an einem Freiwilligendienst der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Erasmus+” teilgenommen habe. Aus der Beschreibung des Europäischen Jugendportals gehe hervor, dass die Organisation „B” im Rahmen des Programms „Erasmus+” einen Europäischen Freiwilligendienst anbiete. Das Programm „Erasmus+” sei vom Europäischen Parlament im Dezember 2013 beschlossen worden und die Europäische Kommission habe die teilnehmenden Organisationen aufgelistet.
Auch andere Teilnehmer an diesem Programm bei dieser Organisation aus Deutschland hätten Kindergeld für diese Zeit erhalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld in gesetzlicher Höhe für B ab August 2018 bis Oktober 2018 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger nicht den Nachweis geführt habe, dass das Kind an einem Freiwilligendienst im Rahmen des Programms „Erasmus+” teilgenommen habe, weil dieser auf Grundlage eines privatrechtlichen Fördervertrages geleistet werde, der zwischen dem Freiwilligen, der Entsendeorganisation, der Aufnahmeorganisation und der die Förderung bewilligenden Stelle geschlossen werde. Die Vorlage des Vertrages sei zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes für das Kindergeld. Es genüge auch die Vorlage einer Bescheinigung der Entsendeorganisation oder der deutschen Nationalagentur unter Bezugnahme auf das Aktionsprogramm und die Angabe der Beteiligten, der Dauer und der Projektnummer. Der Kläger habe aber derartige Unterlagen nicht vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der dem Gericht übersandten Verwaltungsakte sowie der Niederschri...