Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen auch für eine medizinisch indizierte Ehescheidung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Scheidungskosten (Prozesskosten wie Anwalts-, Gerichts- und Notarkosten) können nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (Anschluss an BFH, Urteil v. 18.5.2017, VI R 9/16).
2. Scheidungskosten gehören auch dann nicht zu den Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, wenn die Ehescheidung durch psychische Erkrankungen beider Ehegatten medizinisch indiziert ist.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 Sätze 1, 4, Abs. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für eine Ehescheidung als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Mit seiner am 27.02.2017 eingegangenen Einkommensteuererklärung 2015 machte der Kläger Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Ehescheidungsverfahren (Anwaltskosten, Gerichtkosten, Notarkosten) i.H.v. insgesamt 3.818 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend, die der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom 27.03.2017 unberücksichtigt ließ. Den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers vom 10.04.2017 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12.12.2017 als unbegründet zurück.
Am 15.01.2018 hat der Kläger Klage erhoben.
Ohne das Ehescheidungsverfahren sei er Gefahr gelaufen, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Er habe durch die Scheidung ohnehin schon die Hälfte seiner betrieblichen Altersvorsorge verloren und es hätte auch noch sein Wohneigentum als Altersvorsorgebaustein verloren gehen können. Seine ehemalige Ehefrau leide unter Depressionen und sei arbeitsunfähig. Im Asklepios Fachklinikum W. habe man ihr die Beendigung der Ehe nahe gelegt. Auch er sei wegen physischer Probleme in dieser Klinik behandelt worden. Trotz dem er mit seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau damals noch verheiratet gewesen sei, habe er sie dort nicht besuchen dürfen. Auch ihm hätten sowohl die Klinikärzte als auch sein Hausarzt zur Bekämpfung eigener Depressionen zur Ehescheidung geraten. Ihm sei neben Antidepressiva die Ehescheidung sozusagen als Medikament verordnet worden. Ohne die Scheidung wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Arbeit nachzugehen. Auch die beiden Töchter hätten stark unter dem Zustand vor der Trennung gelitten.
Das Ehescheidungsverfahren falle auch nicht unter den Begriff des „Rechtsstreits” im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 4 Einkommensteuergesetz –EStG–.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 27.03.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2017 dahingehend zu ändern, dass die von ihm geltend gemachten Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO–) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO). Die streitgegenständlichen Aufwendungen für die Ehescheidung des Klägers sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichten gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen nach § 33 Abs. 3 zu ermittelnde zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreites (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigend zu können.
Mit Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 und weiteren Parallelentscheidungen vom gleichen Tage ist höchstrichterlich geklärt, dass die Begriffe des „Rechtsstreits” und der „Prozesskosten” im Sinne vom § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG auch ein Ehescheidungsverfahren und die dafür anfallenden Aufwendungen erfassen. Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das v.g. BFH-Urteil...