Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei beabsichtigter, tatsächlich aber nicht realisierter umsatzsteuerpflichtiger Vermietung von Praxisräumen nach Sanierung einer Jugendstilvilla. Umsatzsteuer 1995 und 1996
Leitsatz (redaktionell)
1. Sollen Räume in einem Gebäude nach dem Erwerb und der Sanierung an Unternehmer steuerpflichtig vermietet werden, setzt der Vorsteuerabzug aus den Bauleistungen die Vorlage von Belegen und Nachweisen voraus, die objektive Anhaltspunkte für die Absicht bieten können, die betreffenden Räume nach Abschluss der Sanierung tatsächlich umsatzsteuerpflichtig zu vermieten.
2. Solche objektiven Anhaltspunkte können darin zu sehen sein, dass z.B. ein Gebäude unter der Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse gewerblicher Mieter gestaltet und ausgestattet wird (z.B. Fabrikgebäude, Einkaufszentrum, Gewerbepark usw.) oder das Gebäude in einem baurechtlich als Gewerbegebiet ausgewiesenen Areal liegt.
3. Bei einer in einem Wohngebiet belegenen Jugendstilvilla, die nach Abschluss einer mehrjährigen Sanierung teilweise als Praxisräume vermietet werden soll und für die sowohl eine steuerfreie Vermietung (z.B. an Arzt) als auch eine steuerpflichtige Vermietung (z.B. an Anwaltskanzlei) in Betracht kommt, kann ein Vorsteuerabzug z.B. dadurch ermöglicht werden, dass der Eigentümer noch während der Planungs- und Bauphase nachweislich mit einem – eine steuerpflichtige Vermietung ermöglichenden – Mieter Vertragsverhandlungen bezüglich der späteren Vermietung geführt hat.
Normenkette
UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 12 Buchst.a, § 9 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 20
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Mit ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 machte die Klägerin die Vorsteuer aus den Sanierungsaufwendungen eines Gebäudes geltend. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 1995 zunächst zu und setzte die Umsatzsteuer auf -19.876,30 DM fest. Mit geändertem Bescheid vom 17. Februar 1999 wurde die Umsatzsteuer auf -11.539,00 DM festgesetzt. Der Bescheid war wie folgt erläutert: „Da zwischenzeitlich der Mietvertrag über das Erdgeschoß vorliegt und daraus ersichtlich ist, daß die Vermietung umsatzsteuerfrei erfolgte, mußte der Umsatzsteuerbescheid 1995 geändert werden. Ein Vorsteuerabzug ist nur für das Erdgeschoß möglich (35,7 %).”
Auch der Umsatzsteuererklärung 1996 stimmte der Beklagte zunächst zu und setzte die Umsatzsteuer auf -37.026,50 DM fest. Mit geändertem Bescheid vom 17. Februar 1999 wurde die Umsatzsteuer auf -19.494,00 DM festgesetzt. Der Bescheid war wie folgt erläutert: „Gemäß dem eingereichten Mietvertrag wird das Untergeschoß umsatzsteuerfrei vermietet. Ein Vorsteuerabzug ist für diesen Teil des Gebäudes somit nicht möglich. Die Vorsteuer ist nur für das Erdgeschoß, eine spätere umsatzsteuerpflichtigen Vermietung vorausgesetzt, abzugsfähig. (153,8 qm von 430,6 qm gesamte Wohnfläche = 35,7 %).”
Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Die Vorsteuer für 1995 und 1996 sei zurecht in Abzug gebracht worden, da sie die Absicht gehabt habe, die Räume gewerblich und umsatzsteuerpflichtig zu vermieten. Rein vorsorglich werde für den Fall einer ablehnenden Einspruchsentscheidung die Erörterung des Sach- und Rechtsstandes gemäß § 364 a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) beantragt. Mit Schreiben vom 07. März 2000 forderte der Beklagte die folgenden Angaben und Nachweise an:
- Angabe der Gesamtwohnfläche
- Größe der eigengenutzten Wohnung
- in welcher Etage befindet sich die eigengenutzte Wohnung
- Nachweis über die beabsichtigte Vermietung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen sollte
- Mietverträge
- Aufstellung über die Rechnung und die durchgeführten Bauleistungen für 1995 und 1996
- Nachweise über sonstige Kosten in Höhe von 38.537 DM (1995) und 14.568 DM (1996).
Die Klägerin legte daraufhin eine Aufstellung über Sanierungskosten in 1995 (115.538,99 DM) und in 1996 (241.767,10 DM) vor, wonach die Gesamtwohnfläche insgesamt 439,60 qm, die Wohnfläche der im Obergeschoß befindliche Wohnung 152,80 qm (= 35,4 %) betrug. Außerdem legte sie den Mietvertrag mit dem Verein zur Förderung autistischer Menschen e.V. vor. Unter Setzung einer Ausschlußfrist gemäß § 364 b AO forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis zum 10. August 2000 Nachweise über die beabsichtigte Vermietung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen sollte, vorzulegen. Zu den weiteren Angabe und Nachweisen, die unter Setzung der Ausschlußfrist angefordert wurden, wird auf das Schreiben vom 07. Juli 2000 verwiesen (Blatt 63 der Rechtsbehelfsakte). Den Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die Frist um weitere drei Wochen zu verlängern, lehnte der Bekla...