Entscheidungsstichwort (Thema)

Nur verbindlich geplanter Urlaub ausreichend für Stattgabe eines Terminverlegungsantrags. Nachweis eines inländischen Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nur eine im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung verbindlich geplante Urlaubsreise stellt einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 155 FGO für eine Terminverlegung dar (vgl. BFH, Beschluss v. 4.5.2011, IX S 1/11).

2. Die Annahme eines Wohnsitzes lässt sich nicht allein darauf stützen, dass der seinen Angaben nach aus Polen nach Deutschland entsandte Steuerpflichtge beim Einwohnermeldeamt gemeldet war. Von einem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland kann nicht ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige auf eine entsprechende gerichtliche Aufforderung hin weder einen Mietvertrag vorgelegt noch die Zahlungen von Miete und Betriebskosten nachgewiesen hat noch belegen konnte, das er mehr als sechs Monate zusammenhängend im Inland gearbeitet hat.

 

Normenkette

AO §§ 8, 9 Sätze 1-2; FGO § 91 Abs. 2, § 155 S. 1; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1; EStG § 62 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.04.2024; Aktenzeichen III B 82/23)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum Sept. 2012 bis März 2013.

Der Kläger (Kl.), ein polnischer Staatsangehöriger, beantragte Kindergeld für seine im Dez. … geborene Tochter G und seinen im Okt. … geborenen Sohn H. Die Kinder leben bei ihrer Mutter, der Ehefrau des Kl., in Polen.

Der Kl. meldete sich zum 6. Sept. 2012 mit alleiniger Wohnung unter der Anschrift … an (Bl. 50 KG). Er meldet sich zum 24. Febr. 2013 ab (Bl. 86 KG) und zum 12. Okt. 2015 unter derselben Anschrift wieder an (Bl. 186 KG).

Laut Arbeitgeberbescheinigung der in Polen ansässigen K vom 26. Sept. 2012 war der Kläger (u.a.) ab dem 6. Sept. 2012 „bis auf weiteres” als entsandter Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt (Bl. 51 KG). Laut Arbeitgeberbescheinigung der K vom 8. April 2013 war der Kl. (u.a.) vom 6. Sept. 2012 bis zum 24. März 2013 als entsandter Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt (Bl. 77 KG). Nach den Lohnsteuerbescheinigungen für 2012 und 2013 (Bl. 79 f. KG) dauerte das Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber K vom 6. Sept. 2012 bis zum 24. Febr. 2013.

Mit Bescheid vom 6. Aug. 2014 lehnte die L den Antrag auf Kindergeld für die Kinder G und H ab dem Monat Jan. 2008 mit der Begründung ab, dass der Kl. die von der L erbetenen Unterlagen nicht eingereicht habe (Bl. 111 KG). Den hiergegen eingelegten Einspruch des Kl. wies die beklagte B mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dez. 2018 (Bl. 237 KG) hinsichtlich des Zeitraums von Sept. 2012 bis März 2013 als unbegründet zurück.

Der Kl. behauptet, er habe einen Wohnsitz unter der Anschrift … gehabt. Die Entsendung habe vom 6. September 2012 bis zum 24. März 2013 gedauert.

Der Kl. beantragt,

den Bescheid vom 6. Aug. 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dez. 2018 aufzuheben.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Verfügung vom 21. Jan. 2020 (Bl. 36 GA) wurde der Kl. nach § 79b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Folgen einer Fristversäumnis (§ 79b Abs. 3 S. 1 FGO) aufgefordert,

  • den Mietvertrag hinsichtlich der Wohnung … vorzulegen,
  • Zahlungen der Miete und der Betriebskosten im Zeitraum Sept. 2012 bis März 2013 nachzuweisen (z.B. durch Vorlege von Kontoauszügen),
  • eine Entsendung bis zum 24. März 2013 nachzuweisen.

Die ursprünglich am 25. Febr. 2020 endende Frist wurde auf zwei Anträge des Kl. hin insgesamt bis zum 15. Mai 2020 verlängert (Bl. 46 GA). Die angeforderten Unterlagen/Nachweise gingen weder innerhalb der Frist noch danach ein.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Der Einzelrichter konnte trotz des Nichterscheinens des Kl. zur Sache verhandeln und entscheiden. Der Kl. wurde ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen (Empfangsbekenntnis vom 30. Jan. 2023) und in der Ladung vom 28. Nov. 2022 (Bl. 84 GA) darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten das Gericht auch ohne ihn verhandeln und entscheiden kann (§ 91 Abs. 2 FGO).

2. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in dem Schriftsatz vom 8. März 2023 ist ein erheblicher Grund i.S.d §§ 227 Abs. 1 S. 1 ZPO, 155 FGO für eine Verlegung des Termins nicht dargetan. Der Prozessbevollmächtigte des Kl. erklärt in dem Schriftsatz, dass für den Zeitraum vom 16. bis 22. Febr. 2023 eine Urlaubsreise gerade nicht verbindlich geplant sei. Nur eine im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung verbindlich geplante Urlaubsreise stellt einen erheblichen Grund i.S.d §§ 227 Abs. 1 S. 1 ZPO, 155 FGO dar (BFH-Beschluss vom 4. Mai 2011 – IX S 1/11 (PKH), BFH/NV 2011, 1381 Rz. 4 F.), worauf der Prozessbevollmächtigte mit Verfügung vom 3. Febr. 2023 hingewiesen worden war.

II.

1. Die Klage, die rechtsschutzgewährend als Klage auf Verpflichtung der B zur Festsetzung von Kindergeld für den Streitzeitraum auszulegen ist, ist unbegrün...

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