Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsersuchen der Steuerfahndung an eine Bank zur Ermittlung aller Bankkunden, die Telekom-Bonusaktien bezogen haben, als unzulässige Rasterfahndung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein im Jahr 2006 von der Steuerfahndung an eine Bank in Sachsen gerichtetes Auskunftsersuchen, demzufolge die Bank die Namen, Anschriften, Geburtsdaten aller Depotinhaber mit Wohnsitz bzw. Geschäftssitz in Sachsen mitteilen sollte, die Bonusaktien aus dem zweiten und dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG bezogen haben, stellt eine unzulässige Rasterfahndung dar, wenn es im Wesentlichen nur mit Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndung bei Banken in anderen Bundesländern begründet wird, die in keinem Zusammenhang mit den Kunden der Bank in Sachsen stehen, wenn die Bank in Sachsen zudem ihre Kunden mehrfach, u.a. im Rahmen der jährlichen Erträgnisaufstellung, auf die nach Auffassung der Finanzverwaltung bestehende Steuerpflicht der Bonusaktien hingewiesen hat, und wenn die Steuerfahndung zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nur von einem einzigen Kunden der Bank in Sachsen sicher wusste, dass er Einkünfte aus der Zuteilung der Bonusaktien nicht in seiner Steuererklärung angegeben hatte.

 

Normenkette

AO § 93 Abs. 1 S. 3, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 30a Abs. 2; EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.01.2009; Aktenzeichen VII R 25/08)

 

Tenor

1. Das Auskunftsersuchen vom 22.08.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 10.10.2006 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens über Bankkunden, die Bonusaktien aus dem zweiten und dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG (nachfolgend kurz: Telekom) bezogen haben.

1. Die Klägerin ist eine Bank. Sie teilte bezugsberechtigten Kunden Bonusaktien aus dem sog. zweiten und dritten Börsengang der Telekom zu und buchte die Papiere in den Jahren 2000 und 2002 in die Depots ein. Im Jahr 2000 wies die Klägerin ihre Kunden darauf hin, dass „gemäß einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 10.12.1999 Zuteilungen aus Treueaktienprogrammen der persönlichen Einkommensteuerpflicht unterliegen. Der zu Grunde zu legende Steuerkurs wurde noch nicht veröffentlicht.” Zum Inhalt im einzelnen verweist das Gericht exemplarisch auf das Schreiben vom 08.09.2000 (Bl. 40 Rechtsbehelfsakte).

In den Erträgnisaufstellungen der Klägerin für 2000, die sie den Kunden zukommen ließ, die Bonusaktien der Telekom bezogen hatten, heißt es: „Eventuell im Jahr 2000 zugeteilte Treueaktien der Telekom AG (WKN 555750) sind in dieser Aufstellung nicht enthalten”. In den Erläuterungen zu dieser Erträgnisaufstellung ist ausgeführt:

„Wichtiger steuerlicher Hinweis zu Treueaktien Telekom:

Gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ist der Wert der Bonusaktien aus dem zweiten Börsengang der Telekom AG (WKN 555750) im Jahre 2000 als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG einkommensteuerpflichtig. Hierbei ist ein Betrag in Höhe von EUR 43,40 pro zugeteilter Treueaktie anzusetzen und in der Anlage KAP, Zeile 9, anzugeben. Falls Sie die Erträgnisaufstellung Ihrer Einkommensteuererklärung beifügen, ist dieses Beiblatt unbedingt mit einzureichen.” Zum Inhalt der Schreiben im einzelnen verweist das Gericht exemplarisch auf die Papiere vom 12.01.2001 und 15.07.2005 (Bl. 18 f, 63 f Rechtsbehelfsakte).

Die Erträgnisaufstellungen für 2002 enthielten gleichfalls die Hinweise „Eventuell im Jahre 2002 zugeteilte Bonusaktien der Telekom AG (WKN 555750) und der …sind in dieser Aufstellung nicht enthalten (nähere Erläuterungen siehe Hinweisblatt)”.Dort war ausgeführt:

„Steuerlicher Hinweis zu Bonusaktien Telekom AG und …:

Gemäß einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.12.2001 ist der Wert der Bonusaktien aus dem dritten Börsengang der Telekom AG (WKN 555750) im Jahre 2002 als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG einkommensteuerpflichtig. Der Wert der Bonusaktien bemisst sich nach dem niedrigsten am Zuflusstag an einer deutschen Börse (einschl. Xetra) gehandelten Kurs. Für unsere Kunden ist hier ein Kurs von EUR 17,60 anzusetzen. Bei privaten Anteilseignern ist dieser Wert nur zur Hälfte (EUR 8,80) steuerpflichtig.

Falls Sie die Erträgnisaufstellung Ihrer Einkommensteuererklärung beifügen, sind diese Erläuterungen unbedingt mit einzureichen!” Zum Inhalt der Schreiben im einzelnen verweist das Gericht exemplarisch auf das Papier vom 15.07.2005 (Bl. 21 f Rechtsbehelfsakte).

2. Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten (des Finanzamts) hat bei einem Kunden der Klägerin festgestellt, dass dieser Einkünfte aus der Z...

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