rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines im Inland wohnenden, gewerblich tätigen Kindsvaters bei Zusammenveranlagung mit der nicht erwerbstätigen, mit den Kindern in Polen lebenden Kindsmutter. monatsbezogene Betrachtungsweise

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der monatsbezogenen Betrachtungsweise der nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Kindergeldberechtigten ist nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses und auch nicht auf die Art der Gewinnermittlung abzustellen, sondern auf die (inländische) Tätigkeit an sich.

2. Tätigkeit im kindergeldrechtlichen Sinn ist nur eine solche, die unmittelbar zu Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG führt. Dazu gehören folglich nicht allgemeine, lediglich mit dem Gewerbebetrieb in einem Zusammenhang stehende Tätigkeiten wie der Besuch eines Steuerberaters, Akquisehandlungen usw.

3. Werden Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen gewährt, kommt in unionsrechtlicher Hinsicht eine vorrangige Zuordnung nach dem subsidiären Kriterium des Wohnorts des Kindes in Betracht.

4. Ein im Inland wohnender und gewerblich tätiger Kindsvater, der mit der mit den Kindern in Polen wohnenden Kindsmutter nach § 1 Abs. 3 EStG zusammen veranlagt wird, ist auch in Monaten kindergeldberechtigt, in denen er keine gewerbliche Tätigkeit im kindergeldrechtlichen Sinne ausübt.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, §§ 63, 1 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EGVO 883/2004 Art. 68 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.05.2022; Aktenzeichen III R 32/20)

 

Tenor

1. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

2. Der Bescheid der Beklagten vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird hinsichtlich der Monate Januar 2014, Februar 2015 und Januar 2016 aufgehoben.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¼, die Beklagte zu ¾.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch über die Aufhebung der Kindergeldgewährung und Rückforderung des an den Kläger für seine vier Kinder gezahlten Kindergeldes der Monate Januar 2014, Februar 2015 und Januar 2016.

Der Kläger hat seit 2009 eine Wohnung in … angemietet und geht im Rahmen eines angemeldeten Gewerbes hier einer selbständigen Tätigkeit als … nach. Seine Familie bestehend aus der nicht erwerbstätigen Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern lebt in einem gemeinsamen Haushalt in Polen. Dort hält sich der Kläger auch auf, wenn er nicht in Deutschland arbeitet. Der Kläger wurde zusammen mit seiner Ehefrau im Jahr 2014 nach § 1 Abs. 1 EinkommensteuergesetzEStG – und in den Jahren 2015 und 2016 nach § 1 Abs. 3 EStG gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Da er für vier Monate keine Nachweise für eine Erwerbstätigkeit vorlegen konnte, hob die Beklagte mit Bescheid vom … die Kindergeldgewährung insoweit auf und forderte den gezahlten Betrag zurück. Dabei ging sie davon aus, dass der Kläger in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Hiergegen legte der Kläger am … Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurückgewiesen und dem Kläger an seine polnische Anschrift zugestellt wurde. Mit seiner am … erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er vor, dass er sehr wohl in den streitigen Monaten für seinen Gewerbebetrieb tätig gewesen sei, auch wenn er nicht bei Kunden gearbeitet habe. So habe er in dieser Zeit Termine bei seinem Steuerberater wahrgenommen und auch sonst mit planerischen Überlegungen sein Gewerbe betrieben. Er habe sich auch für Arbeitseinsätze bereitgehalten, die jedoch wegen des schlechten Wetters in den streitigen Monaten ausgefallen seien, was durch die vorgelegten Schreiben seiner Auftraggeber auch hinreichend bewiesen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage betreffend den Monat Januar 2017 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt noch,

den Bescheid der Beklagten vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … insoweit aufzuheben, als Kindergeld für den Zeitraum Januar 2014, Februar 2015 und Januar 2016 aufgehoben und der gezahlte Betrag zurückgefordert wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Kläger zwar aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Nachweise nunmehr unstreitig in … einen Wohnsitz habe. Allerdings bestehe hinsichtlich der Jahre 2015 und 2016 eine Bindungswirkung der Beklagten hinsichtlich der Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG für einen Kindergeldanspruch des Klägers. Daher sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für jeden Monat, für den Kindergeld begehrt werde, bei Selbständigen eine Tätigkeit nachzuweisen. Dies habe der Kläger nicht gekonnt. Die bloße Betätigung für seinen Gewerbebetrieb, wie das Anstellen betriebswirtschaftlicher Überlegungen und Planungen oder Steuer...

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