Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf die Lieferung von Gold gerichtetes, börsengehandeltes Wertpapier ohne feste Laufzeit keine „Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Unter einer „Kapitalforderung” i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG in der ab dem Veranlagungszeitraum 2009 maßgeblichen Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 ist jede auf eine Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs zu verstehen, nicht aber eine auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter oder Sachleistungen gerichtete Forderung.
2. Die Veräußerung eines börsengehandelten, in seiner Laufzeit unbegrenzten Wertpapiers in Form einer nennwertlosen Inhaberschuldverschreibung, welches einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieft, daher den aktuellen Goldpreis abbildet und fast vollumfänglich durch eingelagertes Gold sowie im Übrigen durch kurzfristige Lieferansprüche gedeckt ist, unterliegt nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 1 Nr. 7 EStG, da insoweit keine auf eine Geldleistung gerichtete Kapitalforderung vorliegt. Dass nach den Emissionsbedingungen die Ausübung des Rechts auf Lieferung des Edelmetalls mit erheblichen (Auslieferungs-) Kosten verbunden ist und die Mehrzahl der Inhaber auf eine Auslieferung verzichten und lediglich marktbedingte Kurssteigerungen der Schuldverschreibungen realisieren, ist insoweit unerheblich.
Normenkette
EStG 2009 § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 7
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom 6. November 2012, geändert durch Bescheid vom 6. Februar 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2013, wird die Einkommensteuer auf den Betrag herabgesetzt, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Einkünfte in Höhe von 18.936,76 EUR aus der Veräußerung von Kapitalanlagen unberücksichtigt bleiben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr 2011 aufgrund der Veräußerung von Wertpapieren steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hat.
Am 25. September 2008 hatte die Klägerin über ihre depotführende Bank 3.000 Stück X-Wertpapiere zum Kurs von 19,45 EUR je Stück erworben. Am 28. April 2011 veräußerte sie 1.000 Stück der Wertpapiere zum Kurs von 33,22 EUR je Stück und am 27. Dezember 2011 weitere 900 Stück zum Kurs von 39,24 EUR. Hierdurch erzielte sie (unter Berücksichtigung von Maklercourtage, Transaktionsentgelten und Provisionen) einen Veräußerungsgewinn von insgesamt 18.936,76 EUR.
Bei X handelt es sich um ein durch die Y „Emittentin”) emittiertes, börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen Inhaberschuldverschreibung, welches einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieft und daher den aktuellen Goldpreis abbildet. Für X besteht kein Fälligkeitszeitpunkt, die Inhaberschuldverschreibung ist in ihrer Laufzeit unbegrenzt. X kann über jedes Wertpapier-Ordersystem, das Anschluss an das elektronische Handelssystem Z gewährt, gekauft werden. Zusätzlich wird X am Frankfurter Parkett und an verschiedenen Regionalbörsen gehandelt. Jede Teilschuldverschreibung von X gewährt dem Inhaber das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das der Inhaber jederzeit unter Einhaltung einer Lieferfrist von 10 Tagen gegenüber seiner Hausbank geltend machen kann. Anleger, die qua Gesetz, Verordnung, Satzung oder Anlagerichtlinien nicht in den Besitz physischen Goldes gelangen dürfen, können X an das emissionsbegleitende Institut zurückgeben, das das für die Wertpapiere hinterlegte Gold am Markt verwertet. Daneben besteht jederzeit die Möglichkeit der Veräußerung der Wertpapiere über die Börse. Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der Auslieferungsansprüche ist X jederzeit durch Gold gedeckt, das nahezu vollständig in Tresoren für Wertpapiere – für die Emittentin verwahrt wird. Dabei überschreitet der tatsächlich physisch eingelagerte Goldbestand stets die gemäß Anleihebedingungen vorgegebene Mindestgrenze von 95 %. Der verbleibende Teil des Goldbestandes wird durch Buchgold, d.h. kurzfristige Lieferansprüche auf Gold, dargestellt.
Der Beklagte (das Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 6. November 2012 die Einkommensteuer für 2011 auf 7.167,– EUR fest. Im Rahmen des hiergegen durchgeführten Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 6. Februar 2013 die Einkommensteuer aus anderen, hier nicht streitigen Gründen,...