Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines in Polen ansässigen Anspruchstellers. Mitwirkungspflicht. in ausländischer Sprache abgefasste Dokumente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist davon auszugehen, dass der Anspruchsteller in dem Land, in dem er seinen Wohnsitz hat Kindergeld beanspruchen kann, wenn er zwar behauptet, ihm stehe wegen Überschreitens der dortigen Einkommensgrenze kein Kindergeld zu, jedoch trotz Aufforderung durch das Gericht die Einzelheiten des maßgeblichen ausländischen Familieneinkommens weder hinreichend offengelegt noch hierzu Nachweise übergeben hat.

2. In ausländischer Sprache abgefasste und ohne Übersetzung eingereichte Dokumente kann das Gericht nicht verwerten.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Nr. 2; AO § 90 Abs. 2; GVG § 184; EGVO 883/2004 Art. 11, 68; EGVO 987/2009 Art. 60 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Kindergeldgewährung bei Ansässigkeit im Ausland.

Die Klägerin ist Polin, lebt in Polen und war dort nach eigener Auskunft im Streitzeitraum von September 2009 bis Februar 2016 unselbstständig erwerbstätig. Sie beantragte für ihre Tochter L., die im Januar 2009 geboren ist, Kindergeld in Deutschland. Hierzu legte sie unter anderem die beglaubigte Übersetzung einer Bescheinigung des Bürgermeisters von C. vom 13. Februar 2013 vor. Dieser bestätigte, die Klägerin sei zu Familienleistungen für ihre Tochter L. nicht berechtigt, weil sie sich wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen nicht um Familienleistungen bemüht und keine Feststellung des Rechtes auf Familienleistungen beantragt habe. Die Beklagte lehnte das Kindergeld ab und wies den Einspruch der Klägerin zurück. Der Kindergeldanspruch der Klägerin hänge davon ab, ob der Kindesvater die Anspruchsvoraussetzungen in Deutschlang erfülle. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen.

Die Klägerin trägt vor, es liege eine Meldebescheinigung des Kindesvaters vor, die der Beklagten übermittelt worden sei. Der Kindesvater habe seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Weitere Nachweise könne die Klägerin nicht erbringen, da sie keinen Kontakt zum Kindesvater habe. Direkten Anfragen bei den zuständigen Behörden stehe der Datenschutz entgegen. Hinsichtlich der Klägerin stehe ihr polnischer Wohnsitz gemäß Art. 67ff der VO (EG) Nr. 883/2004 einem inländischen Wohnsitz gleich. Gleiches ergebe sich aus Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/1971. Die Klägerin beziehe kein polnisches Kindergeld, da ihr dieses wegen Überschreitens der Einkommensgrenze nicht zustehe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. Januar 2015 sowie der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2016 zu verpflichten, der Klägerin für ihre Tochter L. Kindergeld für den Zeitraum von September 2009 bis Februar 2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Zeitraum bis April 2010 könne kein Kindergeldanspruch der Klägerin bestehen. Für diesen Zeitraum sei die VO (EWG) Nr. 1408/1971 anzuwenden, aus der sich keine Wohnsitzfiktion ergebe. Eine solche könne nur aus der nachfolgenden VO (EG) Nr. 883/2004 sowie der DVO (EWG) Nr. 987/2009 abgeleitet werden. Für den Zeitraum ab Mai 2010 sei eine Anspruchsberechtigung des Kindesvaters aber nicht nachgewiesen. Die Anmeldung eines Wohnsitzes bei der Einwohnermeldebehörde sei nicht ausreichend.

Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass substantiierte Darlegungen und Nachweise zum Einkommen der Klägerin fehlen und die Klägerin eine erhöhte Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) treffe. Ferner hat es darauf hingewiesen, dass die Gerichtssprache Deutsch sei. Bereits zuvor hatte es darauf hingewiesen, dass in deutscher Sprache zu kommunizieren sei. Dies gelte auch für etwaige Anlagen zu Schriftsätzen sowie Nachweisschriftstücke.

Die Klägerin hat sodann ausgefüllte Vordrucke in polnischer Sprache eingereicht, die – soweit erkennbar – mit der Adresse der Klägerin, mit einigen wenigen Zahlenangaben sowie in der Mehrzahl mit der Unterschrift der Klägerin versehen sind. Ferner tragen die Vordrucke einen polnischen Stempel und eine Unterschrift. In der oberen rechten Ecke der Vordrucke ist jeweils eine Jahresanzahl der Jahre 2009 bis 2016 eingetragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie den zum Streitfall übergebenen Abdruck der Kindergeldakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz zu.

Nach § 62 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer

1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland

a) nach § 1 Abs. 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder

b) nach § 1 Abs. 3 al...

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