Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft eines Abwasserzweckverbands. Ausgliederung der Tätigkeit auf eine zu diesem Zweck gegründete GmbH. Vorsteuerabzugsberechtigung der GmbH aus an den Zweckverband gerichteten und von diesem beglichenen Abschlagsrechnungen für den Bau einer Kläranlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Abwasserzweckverband, der Aufgaben der Daseinsvorsorge und damit hoheitliche Aufgaben wahrnimmt und keine gewerbliche Tätigkeit ausübt, ist mangels Unternehmereigenschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

2. Eine Ausgliederung der Tätigkeit des Abwasserzweckverbands auf eine zu diesem Zweck gegründete GmbH kann bereits wegen der fehlenden Unternehmereigenschaft des Zweckverbands keine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein.

3. Erfolgt die Ausgliederung während des Baus einer Kläranlage, der noch von dem Zweckverband in Auftrag gegeben worden war, so ist die Korrekturvorschrift des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nach ihrem Sinn und Zweck mit der Folge anzuwenden, dass die GmbH aus eigenem Recht zum Vorsteuerabzug aus den bereits vor der Ausgliederung an den Zweckverband gerichteten und von diesem beglichenen Abschlagsrechnungen berechtigt ist.

 

Normenkette

UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 15a Abs. 1, § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 1a, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4; EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1; UmwG §§ 123, 168

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2010; Aktenzeichen XI R 28/08)

 

Tenor

1. Der Bescheid über Umsatzsteuer 1998 vom 20.4.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.4.2006 wird dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer 1998 auf ./. 3.698.945 DM festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

2. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung der nach Ausgliederung aus einem Abwasserzweckverband entstandenen Klägerin zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges aus an den Abwasserzweckverband gerichteten Abschlagsrechnungen.

Die Klägerin wendet sich gegen den Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 20.4.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.4.2006. Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Vertrag vom 18.8.1997 rückwirkend auf den 1.1.1997 notariell gegründet wurde. Die Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts erfolgte am 16.12.1997. Sie ist durch Ausgliederung des vom Abwasserzweckverband betriebenen Abwasserentsorgungsbetriebes mit allen Rechten und Pflichten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entstanden. Der Abwasserzweckverband erhielt einen Geschäftsanteil in Höhe des gesamten Stammkapitals von 2.000.000,– DM. Unternehmensgegenstand ist die Entsorgung von Abwasser sowie die Errichtung, der Erwerb, die Erweiterung und der Betrieb der diesem Zweck dienenden Anlagen. Des Weiteren gehören die Durchführung von Consultingdienstleistungen für Kommunen, kommunale Eigenbetriebe und sonstige Dritte, außerdem Dienstleistungen, die dem Umweltschutz dienen sowie sonstige dazugehörige und ähnliche Geschäfte zum Unternehmenszweck.

Am 7.3.2000 hat die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung für 1998 (Bl. 12 der Umsatzsteuerakten) eingereicht. In dieser gab sie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 6.819.817,14 DM an, die i.H.v. 3.213.353,95 DM auf sieben Werkverträgen beruhen, die der Abwasserzweckverband mit verschiedenen Bauunternehmen geschlossen hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf die zum Teil im Original und zum Teil in Kopie vorgelegten Rechnungen (Kiste mit fünf Leitzordnern Ordner 1 bis 5) verwiesen. Der Klägerin trat nach der Ausgliederung in diese Verträge ein. Der Abwasserzweckverband hat im Rahmen dieser Werkverträge auf ihn als Leistungsempfänger ausgestellte Abschlagsrechnungen erhalten und diese beglichen. Die in den Rechnungsbeträgen enthaltene Umsatzsteuer hat der Abwasserzweckverband nicht als Vorsteuer geltend gemacht. Einzelne Abschlagsrechnungen der laufenden Verträge hat die Klägerin erhalten. Die Berechtigung zum Abzug der in jenen Rechnungsbeträgen enthaltene Umsatzsteuer als Vorsteuer ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die an die Klägerin adressierten Schlussrechnungen der genannten Verträge hat in den Jahren 1997 und 1998 zunächst ein zur Rechnungsprüfung zwischengeschaltetes Unternehmen und im Anschluss daran im Jahr 1998 die Klägerin erhalten. Die Abnahme der Werkleistungen fand nach dem Vortrag der Klägerin und den Feststellungen der Betriebsprüfung im Jahr 1998 statt. Die Klägerin hat sowohl die in der Schlussrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als auch die Umsatzsteuer aus an den Abwasserzweckverband gerichteten Abschlagsrechnungen aus den Jahren 1995 i.H.v. 112.173,91 DM, 1996 i.H.v. 1.910.937,85 DM und 1997 i.H.v. 539.793,88 DM, d.h. ins...

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