Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass für Vorsteuerabzug betreffend unentgeltliche ABM-Maßnahmen einer Arbeitsförderungsgesellschaft in den neuen Bundesländern. Erlass der Umsatzsteuer 1993 und Zinsen zur Umsatzsteuer 1993
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat eine Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS) im Jahr 1993 teils entgeltlich, teils mit echten Zuschüssen des Arbeitsamtes unentgeltlich ABM-Maßnahmen durchgeführt, so ist ihre Tätigkeit in einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich aufzuteilen, mit der Folge, dass ihr bezüglich der unentgeltlichen Leistungen kein Vorsteuerabzug zusteht.
2. Hat die ABS-Gesellschaft trotz ungeklärter Rechtslage –divergierende Verwaltungserlasse verschiedener Landesfinanzbehörden– keine verbindliche Auskunft beim zuständigen FA eingeholt, sondern ihre Tätigkeit insgesamt als unternehmerisch behandelt und den Vorsteuerabzug auch bezüglich der Kosten für die unentgeltlichen Leistungen voll in Anspruch genommen und sich diese Kosten deswegen von den Zuschussgebern nur „netto” erstatten lassen, kann ihr der vom FA insoweit nach einer Bp nachgeforderte Vorsteuerbetrag nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen werden.
3. Kein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen, wenn die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme infolge der Steuernachforderung in keiner Weise gefährdet war.
Normenkette
AO §§ 227, 5; FGO § 102; UStG 1993 §§ 2, 15 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt den Billigkeitserlass von Umsatzsteuer und Zinsen zur Umsatzsteuer für das Jahr 1993 unter Berücksichtigung ihres Vertrauens auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen der Arbeitsbeschäftigungsgesellschaften (ABS-Gesellschaften) nach dem Erlass des Finanzministeriums S. vom 15.09.1992.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS), die auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung vom … zwischen den Gewerkschaften, den Arbeitgebern, der Treuhandanstalt und den Landesregierungen der neuen Bundesländern im S. gegründet wurde. Ihr Gesellschaftszweck ist die Unterstützung, Planung, Organisationsdurchführung und Förderung gezielter beruflicher Bildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, insbesondere nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Im Jahr 1993 betätigte sich die Klägerin hauptsächlich auf dem Gebiet des Umweltschutzes zugunsten der in § 2 des Gesellschaftsvertrages genannten Kommunen, Landkreisen und anderen Maßnahmeträgern. Dabei stellte sie den Leistungsempfängern z.T. keine Rechnung, weil diese Maßnahmen ausschließlich mit Geldern des Arbeitsamtes (Zuschüsse und Kostenerstattungen) finanziert worden waren. Hinsichtlich ihrer Unternehmereigenschaft und der damit verbundenen Vorsteuerberechtigung vertrat die Klägerin in Anlehnung an den Erlass des Finanzministeriums Sachsen-Anhalt … vom 15.09.1992 und eine Expertise der Gesellschaft S. E. GmbH die Auffassung, dass diese einheitlich zu beurteilen sei; eine Aufteilung in einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich (hinsichtlich der echten Zuschüsse) nahm sie somit nicht vor. Weil sie davon ausging, dass die Vorsteuern nach dem Umsatzsteuergesetz erstattungsfähig sind rechnete sie gegenüber den Zuschussgebern daher grundsätzlich auch nur die Nettobeträge ab.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Januar bis Dezember 1993, die von dem damals zuständigen Finanzamt B. durchgeführt wurde, untersuchte die Prüferin alle ABM-Maßnahmen auf ihre Entgeltlichkeit hin und ermittelte 78 unentgeltlich geleistete und 66 gegen Entgelt durchgeführte Maßnahmen. Sie stellte die auf jede einzelne Maßnahme entfallende Vorsteuer fest und ordnete den 78 unentgeltlichen ABM-Maßnahmen Vorsteuern i.H.v. DM zu, die nach ihrer Ansicht – sowie die damit zusammenhängenden Vorsteuern der Verwaltungskosten – nicht zum Abzug zuzulassen waren. Das Finanzamt folgte diesem Ansatz und setzte mit Bescheid vom 25.01.1996 die Umsatzsteuer für das Jahr 1993 auf ./. …,– DM fest. Der seitens der Klägerin nachgeforderte Betrag belief sich auf DM. Im Einspruchsverfahren, das wegen Änderung der örtlichen Zuständigkeit vom beklagten Finanzamt Be. weitergeführt wurde, reduzierten sich die unentgeltlichen Maßnahmen auf 76 und der Nachforderungsbetrag auf DM. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Entscheidung vom 07.02.1997 als unbegründet zurückgewiesen. Die sich anschließende Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1993 hatte keinen Erfolg.
Am 10.09.1996 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Umsatzsteuer für das Jahr 1993 sowie die Zinsen zur Umsatzsteuer 1993 zu erlassen. Als Begründung führte sie aus, die erstmals im Jahr 1995 veröffentlichte Auffassung des Sächsischen Finanzministeriums in dem Erlass vom 28.02.1995, dass die Unternehmereigenschaft von ABS-Gesellschaften für jede ...