Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer. Erfordernis der Einhaltung der Vor- und Nachbehaltensfrist bei Abspaltung zur Neugründung. Konzernsachverhalt
Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsprechungsgrundsätze, wonach bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen in Fällen der Abspaltung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist, nicht aber auch die Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG eingehalten werden muss, sind nicht auf den in § 6a Satz 3 GrEStG genannten begünstigten Konzernsachverhalt zu übertragen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 4, § 6a Sätze 3-4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei einer Abspaltung zur Neugründung die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG greift.
Die mit Gesellschaftsvertrag vom 7. Dezember 2015, eingetragen im Handelsregister am 10. Dezember 2015, gegründete P GmbH (im Folgenden: P GmbH) ist Eigentümerin eines Grundstückes in V.. Alleinige Gesellschafterin der P GmbH war seit Gründung die L GmbH (L GmbH) mit Sitz in W. . Gesellschafter der L GmbH waren seit November 2015 vier natürliche Personen zu Anteilen von 15/40, 12/40, 10/40 und 3/40.
Mit notariellem Spaltungsvertrag zur Neugründung vom 18. Dezember 2020 übertrug die L GmbH (Übertragende) ihre Vermögensteile als Gesamtheit – d. h. die Geschäftsanteile an der P GmbH – an die neu zu gründende Klägerin (Übernehmerin). Im Ausgleich hierfür erhielten die vier Gesellschafter der L GmbH Geschäftsanteile an der Klägerin zu den gleichen Anteilen, wie sie sie an der L GmbH hatten. Die mit Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 2020 und Nachtrag vom 12. Februar 2021 dementsprechend gegründete Klägerin wurde am 19. Februar 2021 in das Handelsregister eingetragen. Die Abspaltung wurde am 22. Februar 2021 in das Handelsregister bei der L GmbH eingetragen.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22. Februar 2021 setzte das Finanzamt V. auf Ersuchen des Beklagten den Grundbesitzwert für das Grundstück in V. auf EUR 2.471.274 fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Nach Ansicht der Klägerin sei der Wert nicht realistisch und ein Ertragswert von EUR 698.732 anzusetzen.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 2021 setzte der Beklagte ausgehend von dem vom Finanzamt V. festgesetzten Grundstückswert die Grunderwerbsteuer auf EUR 86.494 fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch unter Hinweis auf § 6a GrEStG ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21. September 2022 zurückwies.
Die Klägerin bringt vor, es handele sich hier um eine Umstrukturierung im Konzern nach § 6a GrEStG. An der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft seien die gleichen Personen beteiligt. Die vier Gesellschafter nähmen über ihre Beteiligung am wirtschaftlichen Leben teil und seien als herrschendes Unternehmen anzusehen. Herrschendes Unternehmen könnten auch natürliche Personen und Personengesellschaften sein. Bei der Abspaltung zur Neugründung sei die beherrschende Eigenschaft auf die Klägerin als neuen Rechtsträger übergegangen. Die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren müsse hier dann nicht eingehalten werden.
Die Klägerin beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 29. Dezember 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bringt vor, es mangele hier an einem herrschenden Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG. Die L GmbH habe ihre beherrschende Stellung an der P GmbH aufgegeben und an die Klägerin übertragen. An der Klägerin sei die L GmbH aber nicht beteiligt gewesen. Die von dem Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 21. und 22. August 2019 entschiedenen Fälle beträfen andere Konstellationen. Auf die Vor- und Nachbehaltensfristen komme es daher nicht mehr an.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zu Gericht gereichten Behördenakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Es war hier trotz des noch offenen Verfahrens über die Feststellung des Grundbesitzwertes zu entscheiden, da in dem Grundlagenbescheid andere Fragen zu entscheiden sind als in dem hier streitigen Folgebescheid und ein Interesse der Klägerin daran besteht, zunächst über den Folgebescheid zu entscheiden, da ein vorrangiger Streit über den Grundlagenbescheid sinnlos wäre, wenn sie im Folgebescheidsverfahren erfolgreich wäre (s. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. August 2010 -II R 65/08, BStBl. II 2011, 225).
II.
Der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Übertragung des Grundstückes ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar, denn 100% der Anteile der Grundstückseigentü...