Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Fährt ein Bauarbeiter entsprechend der Weisung des Arbeitgebers jeweils von der Wohnung zum Betriebssitz des Arbeitgebers und von dort mit einem Sammelfahrzeug zu den jeweiligen Baustellen und kehrt er wegen des Einsatzes auf weit entfernten Baustellen nicht jeden Tag nach Hause zurück, sodass auch die Fahrten zum Betriebssitz nicht arbeitstäglich durchgeführt werden, so gilt gleichwohl der Betriebssitz des Arbeitgebers als "derselbe typischerweise arbeitstäglich aufgesuchte Ort" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG, mit der Folge, dass für die Fahrten zum Betriebssitz ein Werbungskostenabzug nur in Höhe der Entfernungspauschale und nicht nach Reisekostengrundsätzen zulässig ist.
Sachverhalt
Im Streitfall war der Steuerpflichtige als Baumaschinist unselbständig beschäftigt. Der Arbeitgeber bescheinigte ihm im Kalenderjahr 2014 an 207 Tagen auf ständig wechselnden Einsatzstellen - Einsatzwechselstellen - tätig gewesen zu sein. Davon sei er an 145 Tagen mehr als 8 Stunden abwesend gewesen. An 31 Tagen habe seine Abwesenheit mehr als 24 Stunden Abwesenheit von seiner Wohnung betragen. Der Arbeitgeber gab an, dass der Steuerpflichtige keiner Tätigkeitsstätte zugewiesen gewesen sei.
Zu den jeweiligen Arbeitsorten/Baustellen/Einsatzstellen gelangte der Steuerpflichtige auf Weisung des Arbeitgebers jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers vom Betriebssitz aus. Streitig war nun der Abzug der an 145 Tagen durchgeführten Fahrten zur Sammelstelle als Reisekosten sowie der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich die Entfernungspauschale für die durchgeführten Fahrten.
Entscheidung
Zu diesem Ergebnis kam auch das FG und verwies auf die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG. Nach dieser Vorschrift erhält ein Arbeitnehmer - in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und § 9 Abs. 2 EStG - lediglich die sogenannten Entfernungspauschale, wenn er keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG) hat und er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nach Auffassung des FG erfüllt, denn der Steuerpflichtige hatte nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen seines Arbeitgebers dauerhaft denselben Ort aufzusuchen. Der Steuerpflichtige konnte für seine 145 Fahrten daher lediglich die Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und § 9 Abs. 2 EStG beanspruchen.
Der Senat konzediert allerdings, dass in Anbetracht des Wortlauts § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG dahingehend verstanden werden kann, dass der Arbeitnehmer, der über viele Tage beruflich bedingt abwesend ist, zumindest rechnerisch den Großteil einer Woche den Sammelpunkt aufgesucht haben muss. Andernfalls könnte eine Auswärtstätigkeit vorliegen, bei der der Arbeitnehmer seine Fahrten mit seinem tatsächlichen Aufwand bei seiner Einkommensteuer geltend machen könnte.
Hinweis
Will der Arbeitnehmer seine tatsächlichen Fahrtkosten geltend machen, müsste er den Nachweis erbringen, nicht "typischerweise arbeitstäglich" zum Sammelplatz gefahren zu sein. Wo hier (typisierend) eine Grenze gezogen werden könnte, ließ das FG ausdrücklich offen. Im Streitfall kam es zu dem Ergebnis, dass bei einem Verhältnis der Fahrten Wohnung - Sammelplatz zu den Gesamtarbeitstagen in Höhe von 82 % der Steuerpflichtige den ihm von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort im Streitjahr "typischerweise arbeitstäglich" aufgesucht hat. Das FG hat die Revision zugelassen.
Entsprechend hat übrigens auch das Thüringer FG, Urteil v. 28.2.2019, 1 K 493/17 in einem Fall entschieden, in dem der Arbeitnehmer an 177 Arbeitstagen des Jahres auf derselben Baustelle tätig gewesen ist, vor dem Weitertransport zu dieser Baustelle aber jeweils den Betriebssitz aufgesucht hat. Auch hier wurde die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
Thüringer FG, Urteil vom 05.12.2018, 1 K 594/16Thüringen FG, Urteil v. 05.12.2018, 1 K 594/16