OFD Frankfurt, Verfügung v. 6.4.2018, S 2140 A - 004 - St 213
BMF-Schreiben vom 27.4.2017 (BStBl 2017 I S. 741)
Mit dem am 8.2.2017 veröffentlichten Beschluss vom 28.11.2016 (GrS 1/15, BStBl 2017 II S. 393) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass das BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (BStBl 2003 I S. 240, ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl 2010 I S. 18) – sog. Sanierungserlass (ofix: EStG/3/45) – gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.
Der Bundesrat hat im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen um Prüfung einer gesetzlichen Regelung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen (mit verfassungsrechtlich zulässiger steuerlicher Rückwirkung) gebeten.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der Grundsätze des vorgenannten BFH-Beschlusses aus Gründen des Vertrauensschutzes Folgendes:
I. Schuldenerlass bis zum 8.2.2017
In den Fällen, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis (einschließlich) zum 8.2.2017 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats vom 28.11.2016 – GrS 1/15 – auf den Internetseiten des BFH) endgültig vollzogen wurde, sind die BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (a.a.O.) und 22.12.2009 (a.a.O.) weiterhin uneingeschränkt anzuwenden. Ist der Forderungsverzicht Gegenstand eines Insolvenzplanes, gilt er mit der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichtes über die Bestätigung des Insolvenzplanes als endgültig vollzogen.
II. Vorliegen einer verbindlichen Auskunft oder verbindlichen Zusage
In den Fällen, in denen eine verbindliche Auskunft (§ 89 Absatz 2 AO) oder verbindliche Zusage (§§ 204 ff. AO) zur Anwendung des Sanierungserlasses bis (einschließlich) zum 8.2.2017 erteilt wurde, ist diese nicht nach § 2 Absatz 3 Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) aufzuheben und nicht nach § 130 Absatz 2 Nummer 4 AO zurückzunehmen, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zur Entscheidung über die Aufhebung oder Rücknahme der verbindlichen Auskunft oder verbindlichen Zusage ganz oder im Wesentlichen vollzogen wurde oder im Einzelfall anderweitige Vertrauensschutzgründe vorliegen (z.B. der Vollzug des in Umsetzung befindlichen Sanierungsplanes / des Forderungsverzichts der an der Sanierung beteiligten Gläubiger kann vom Steuerpflichtigen nicht mehr beeinflusst werden).
In den Fällen, in denen eine verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage zur Anwendung des Sanierungserlasses nach dem 8.2.2017 erteilt wurde, ist diese nur dann nicht nach § 130 Absatz 2 Nummer 4 AO zurückzunehmen, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zur Entscheidung über die Rücknahme vollzogen wurde.
III. Billigkeitsmaßnahmen unter Widerrufsvorbehalt
In allen übrigen Fällen (kein Forderungsverzicht aller an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8.2.2017 und keine vorliegende verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage) gilt zur Anwendung der BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (a.a.O.) und 22.12.2009 (a.a.O.) im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung Folgendes:
Billigkeitsmaßnahmen in Form von abweichenden Steuerfestsetzungen nach § 163 Absatz 1 Satz 2 AO und Stundungen nach § 222 AO sind nur noch unter Widerrufsvorbehalt vorzunehmen. Erlassentscheidungen (§ 227 AO) sind zurückzustellen.
Ein etwaiger Bescheid über die abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 Absatz 1 Satz 2 AO) oder die Stundung (§ 222 AO) ist mit folgendem Widerrufsvorbehalt zu versehen:
„Diese abweichende Festsetzung / Diese Stundung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Die abweichende Festsetzung / Stundung ist zu widerrufen, wenn eine gesetzliche Regelung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungserträgen in Kraft tritt oder bis zum 31.12.2018 nicht in Kraft getreten ist (vgl. BMF-Schreiben vom 27.4.2017 – IV C 6 – S 2140/13/10003, DOK 2017/0322100 –).”
IV. Verbindliche Auskünfte nach der Veröffentlichung dieses Schreibens
Die Erteilung verbindlicher Auskünfte in Sanierungsfällen ist nach Maßgabe der Nummer 3 grundsätzliche weiterhin möglich.
V. Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall
Die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen aus besonderen, außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegenden sachlichen oder persönlichen Gründen des Einzelfalls bleibt unberührt.
Dieses Schreiben ist im BStBl 2017 I S. 741 veröffentlicht
BMF-Schreiben vom 19.9.2017
Wird für Altfälle, in denen das Finanzamt die Voraussetzungen des Sanierungserlasses verneint und das angerufene Finanzgericht das Vorliegen der Voraussetzungen unter Verweis auf die Gesetzeswidrigkeit des Sanierungserlasses oder den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 nicht geprüft hat, nunmehr ein neuer Antrag gestellt, weist das BMF mit Schreiben vom 19.9.2017 aus gegebenem Anlass auf Folgendes hin...