Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Die Einkünfte einer Prostituierten können geschätzt werden.
Sachverhalt
Die Klägerin war in den Jahren 2008 bis 2010 als Prostituierte tätig. In 2010 wurde gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eigeleitet, da sie die EC und Kreditkarten von diversen Opfern fortgesetzt in Betrugsabsicht verwendet hatte. In diesem Zusammenhang wurden bei ihr Quittungen über sexuelle Dienstleistungen gefunden sowie Notizzettel über die von ihr verlangten Preise. Auf der Grundlage dieser Unterlagen schätzte die Finanzverwaltung die Einkünfte der Klägerin in den betreffenden Jahren und erließ Gewerbe-, Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide. Da das Einspruchsverfahren erfolglos blieb, erhob die Klägerin Klage. Sie machte insbesondere geltend, die Quittungen seien nicht nachvollziehbar ausgewertet worden.
Entscheidung
Die Klage hatte nur eingeschränkt Erfolg. Das FG stellte zwar zunächst fest, dass das Finanzamt hier keine Schätzung auf der Grundlage der gefundenen Quittungen vornehmen durfte. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Da die Klägerin keine Steuererklärungen abgegeben habe und auch keine hinreichende Aufzeichnung von Einnahmen und Ausgaben erstellt habe, sei eine Schätzungsbefugnis hier offensichtlich gegeben. Allerdings sei es nicht sachgerecht, allein auf der Grundlage der Quittungen eine Schätzung vorzunehmen, da dieses Ergebnis eher zufällig sei. Stattdessen habe eine Schätzung unter Berücksichtigung eines festen Satzes von 500 EUR pro Tag bei 5 Tagen in der Woche und 240 jährlichen Arbeitstagen zu erfolgen. Ferner sei die Miete sowie weitere Zahlungen an das Bordell als Betriebsausgabe abzuziehen. Hingegen seien Leistungen an den Zuhälter der Klägerin nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Hinweis
Grundsätzlich ist dem FG dahingehend zuzustimmen, dass die Einkünfte der Klägerin gewerbliche Einkünfte darstellen. Dies hat jüngst der BFH in seiner Entscheidung des großen Senat v. 20.2.2013, GrS 1/12, BStBl 2013 II S. 441 so zutreffend festgestellt. Damit besteht auch bei Fehlen von angemessenen Unterlagen zur Einkünfteermittlung eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts. Fraglich bzw. kaum nachvollziehbar erscheinen indes die Ausführungen des Gerichts zur Höhe der Einnahmen. Ob die Annahmen zu den Arbeitszeiten und Einnahmen den Gegebenheiten des Gewerbes entsprechen, kann nicht nachvollzogen werden, erscheint indes eher fraglich. Insofern erscheint die Schätzung in ihrer Höhe durchaus angreifbar, wenngleich sich dann natürlich die Frage stellt, welche Schätzungsmethode stattdessen in Betracht käme.
Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Das Aktenzeichen des BFH ist X B 46/13.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 20.02.2013, 2 K 169/11