Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
Eine Strafschätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen ist nicht zulässig, wohl aber eine Schätzung in einem möglichen oberen Rahmen, sofern sie in sich schlüssig ist. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln kann und der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag.
Sachverhalt
Die klagenden Eheleute hatten trotz wiederholter Aufforderung ihre Einkommensteuererklärung nicht abgegeben. Das Finanzamt schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Es setzte u. a. den Arbeitslohn des Ehemanns mit 65.000 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 8.500 EUR an. Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung tragen die Eheleute vor, dass bei den Einkünften des Ehemanns die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für 291 Tage berücksichtigt werden müssten. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien mit 1.240 EUR zu berücksichtigen. Außerdem seien wie im Vorjahr zwei Kinder zu berücksichtigen. Mit Änderungsbescheid hat das Finanzamt die Aufwendungen für 230 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten abgezogen.
Entscheidung
- Eine Schätzung des Finanzamts, dass der Kläger im Streitjahr an 230 Arbeitstagen die Arbeitsstätte aufgesucht hat, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Für die höhere Anzahl der durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tragen im Streitfall die Kläger die Beweislast.
- Ziel einer Schätzung hat es zu sein, dem wirklichen steuererheblichen Sachverhalt so nahe wie möglich zu kommen. Eine Strafschätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen ist nicht zulässig, wohl aber eine Schätzung in einem möglichen oberen Rahmen, sofern sie in sich schlüssig ist. Hat der Steuerpflichtige durch sein - den steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht genügendes - Verhalten die Ursache für die Schätzung gesetzt, muss er sich insoweit ergebende Unsicherheiten, die im Wesen jeder Schätzung begründet sind, hinnehmen. Begehrt er den Abzug von Werbungskosten, so trägt er die objektive Beweislast für die Tatsachen, die den Abzug dem Grunde und der Höhe nach begründen - das gilt auch im Streitfall für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
- Ist ersichtlich, dass das Finanzamt die sog. Günstigerprüfung für die Kinder durchgeführt hat und dabei für jedes Kind einen Kindergeldanteil berücksichtigt hat und hat diese Günstigerprüfung ergeben, dass die gebotene Freistellung des Existenzminimums durch das gewährte Kindergeld erreicht wird und dass die Gewährung von Kindergeld im Streitfall günstiger ist, scheidet ein Abzug von Kinderfreibeträgen vom Einkommen aus.
Damit folgte das FG im Wesentlichen der Auffassung des Finanzamts. Es setzte lediglich die Vermietungseinkünfte geringer fest.
Hinweis
Soweit das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln kann, hat es diese zu schätzen. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag. Aber auch dann hat die Finanzbehörde bei der Schätzung alle zu Gunsten des Steuerpflichtigen sprechenden Umstände zu berücksichtigen. Eine Strafschätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen ist nicht zulässig, wohl aber eine Schätzung in einem möglichen oberen Rahmen, sofern sie in sich schlüssig ist. Verbleibende Unsicherheiten muss der Steuerpflichtige hinnehmen, weil er durch sein den steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht genügendes Verhalten die Ursache für die Schätzung gesetzt hat. Begehrt er den Abzug von Werbungskosten, so trägt er die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Abzug dem Grunde und der Höhe nach begründen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 12.12.2008, 13 K 4371/07