Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Ist das Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen dem Grunde nach berechtigt, muss die Schätzung der Höhe nach in sich schlüssig, die geschätzten Einkünfte wirtschaftlich erzielbar und vernünftig sein.
Sachverhalt
Im Streitfall war die Steuerpflichtige u.a. als psychologische Beraterin selbstständig tätig und erklärte hieraus für das Streitjahr 2005 Einkünfte in Höhe von 18.000 EUR. Das Finanzamt schätzte hingegen die Höhe der Einkünfte mit 25.000 EUR, weil die Steuerpflichtige trotz Aufforderung keine Gewinnermittlung eingereicht hatte. Nach dem Vortrag der Steuerpflichtigen handelt es sich bei den Einkünften um Honorare, die sie von einer GmbH für ihre lerntherapeutische Tätigkeit bezogen habe. Da es sich nur um Einnahmen handele und Kosten nicht geltend gemacht würden, sei eine Gewinnermittlung entbehrlich.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung in Höhe von 25.000 EUR. Gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 und 18 EStG wird bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit der Gewinn, d. h. der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt. Dies erfordert, dass der Steuerpflichtige seinen Gewinn entweder nach § 4 Abs. 1 EStG unter Beachtung der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln muss. Selbst soweit der Steuerpflichtige befugt ist, seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, muss er in seiner Steuererklärung die einzelnen Betriebseinnahmen und -ausgaben aufführen. Auf Verlangen muss er sie erläutern und glaubhaft machen, damit die Behörde die Richtigkeit der Betriebseinnahmen und die Vollständigkeit der Betriebsausgaben gemäß § 90 Abs. 1 AO nachprüfen kann. Bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, ist die Belegsammlung letztlich die entscheidende Grundlage für ihre Steuererklärung. Liegt sie nicht vor bzw. wird sie nicht vorgelegt, hat der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungspflichten nicht beachtet. Die Folge ist, dass die Finanzbehörde gemäß § 162 AO befugt ist, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige weder eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG noch eine Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG, geschweige denn Belege eingereicht, die die Betriebseinnahmen bzw. die Betriebsausgaben und damit die von ihr erklärten Einkünfte belegen. Die vorgenommene Einkünfteschätzung in Höhe von 25.000 EUR war nach Überzeugung des FG auch schlüssig und wirtschaftlich möglich gewesen, zumal die Steuerpflichtige im Klageverfahren überhaupt keine Unterlagen eingereicht hatte, aufgrund derer das FG die vom Finanzamt angesetzten Einkünfte der Steuerpflichtigen aus selbstständiger Arbeit anhand geeigneter Unterlagen, d. h. insbesondere anhand einer den steuerlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnermittlung hätte überprüfen können.
Hinweis
Der Streitfall zeigt einmal mehr, welche unangenehmen Folgen es haben kann, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungs - und Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachkommt. Sofern die erklärten Einkünfte in Höhe von 18.000 EUR tatsächlich nur die Summe der in 2005 von der GmbH bezogenen Honorare darstellte, wäre es für den Steuerpflichtigen ein Leichtes gewesen, dies im Rahmen einer einfachen Einnahme - Überschussrechnung zu erklären und entsprechend belegmäßig zu untermauern. Die Weigerung musste nun mit der Versteuerung eines um 7.000 EUR höheren Einkünftebetrages "bezahlt" werden, der in dieser Höhe vielleicht überhaupt nicht angefallen war.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.08.2011, 5 K 1639/07